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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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... und damit Ende der Diskussion?« Er beobachtete, wie Trueblood noch ein Streichholz anzündete.
    Die schockpinkfarbene Sobranie im Mund, sagte Trueblood: »Weil Sie so ungeduldig geworden sind, habe ich gedacht, ich hör besser auf.« Er warf das Streichholz in den Metallaschenbecher. »Egal, ich bin auch nicht Sokrates.« Er blies noch ein paar Rauchringe.
    Melrose biß die Zähne aufeinander. Er hätte True-blood am liebsten eine runtergehauen. Oder irgend etwas auf dem Boden zertrümmert. Einen Moment schäumte er vor Wut, dann fiel ihm ein, daß Wutausbrüche Marshall Trueblood kaltließen. Er fragte: »Was ist nun mit Ada Crisp? Welchen Anwalt hat sie?«
    »Soweit ich weiß, gar keinen. Ich glaube, die gute Frau ist so arm, daß sie sich gar keinen leisten kann.«
    »Zum Kuckuck, dann besorge ich ihr einen.«
    »Sehr anständig von Ihnen, Melrose. Aber Ada wird nicht zulassen, daß Sie ihn bezahlen. Für eine so schüchterne kleine Person hat Ada ein eisernes Rückgrat. An ihren Prinzipien hält sie fest.«
    »Das sind keine Prinzipien. Das ist juristischer Selbstmord. Agatha und Pinkauge werden sie vernichten. Sie haben doch erlebt, wie übel Agatha dem Fleischer Jurvis vor ein paar Jahren mitgespielt hat. Und dieser Fall ist keinen Deut weniger an den Haaren herbeigezogen.«
    »Da haben Sie natürlich recht.« Dann versank Trueblood in heftiges Grübeln. Langsam drehte er die schwarze Sobranieschachtel immer wieder um. Nach einer Weile lächelte er, und nach dem Lächeln lachte er.
    »Was ist denn so witzig?«
    »Mir ist klargeworden, daß die Anklage, wie Sie gesagt haben, vollkommen dämlich ist. Das Dumme ist, daß wir, als wir über Wahrheit und Argumentation gesprochen haben, ebenso angenommen haben, daß das Gesetz und die Vernunft automatisch Bettgenossen sind. In Wirklichkeit geht es lediglich darum, seine Gegner in Widersprüche zu verwickeln.«
    Melrose zog die Stirn in Falten. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich verteidige Ada Crisp.«
    »Wie bitte? Sind Sie verrückt?«
    Trueblood kniff die Augen zusammen und schaute Melrose an. »Melrose, meinen Sie, ich könnte es nicht?«
    »Verdammt noch mal, doch!« Melrose knallte sein Glas auf den Tisch.
    Trueblood betrachtete das glühende Ende seiner Zigarette. »Meinen Sie, ich bin dazu nicht imstande, weil ich in der Vergangenheit nicht immer Erfolg mit meinen Plänen hatte?«
    »Hört, hört!« rief Melrose ausgelassen.
    »Weil ich das Problem mit Vivian und Graf Dracula immer noch nicht gelöst habe? Und immer noch nicht herausgefunden habe, wie viele Wochenendmenschen sich hier herumtreiben? Weil Sie finden, daß ich nicht sehr fix bin? Weder fix noch schlagfertig? Glauben Sie das, Melrose?«
    »Jawohl, genau das!«
    Trueblood lächelte durch den nach oben kringelnden Rauch. »Dann denken Sie noch einmal nach.«
Teil IV
Das Blatt hat sich gewendet
26
    Die Iden des März gestalteten sich für Melrose kaum erfreulicher als für Cäsar.
    Einige Wochen waren ins Land gegangen. Der Dauerregen, der seine Tante vor ihrem eigenen Kamin hätte festhalten sollen, hatte sie perfiderweise zu seinem getrieben.
    Agathas Angriff auf das britische Rechtssystem sollte in vier Tagen in einem Prozeß münden, der fast zeitgleich mit Jenny Kenningtons Erscheinen vor dem Lincoln Crown Court angesetzt war. Die Kanzlei von Agathas Anwalt hatte ihm ein Schreiben zustellen lassen. So absurd der Fall auch lag, er mußte der Vorladung wohl oder übel Folge leisten. Aber da es erst in ein paar Tagen soweit war, konnte er wenigstens morgen nach Lin coln fahren. Sie und ihr Nachttopf konnten ihm ohnehin gestohlen bleiben.
    Aber vielleicht wurde es ja doch ganz amüsant. Marshall Trueblood hatte Ada Crisp tatsächlich angeboten, sie zu vertreten, und zu Melrose' Überraschung hatte Ada mit der geheimnisvollen Bemerkung angenommen, es sei doch immer das beste, wenn »so was in der Familie bleibe«. Wer von allen Beteiligten nun am verrücktesten war, würde sich bald herausstellen.
    Trueblood als Vertreter der Angeklagten hatte zumindest einen sachdienlichen Effekt: Theo Wrenn Browne war sichtlich beunruhigt. Er befürchtete offenbar, daß ein Laie nicht als Anwalt fungieren würde, wenn er nicht etwas wußte, das sich seiner, Wrenn Brownes, Kenntnis entzog. Angestrengt versuchte er herauszufinden, was Trueblood für Beweismaterial aufgestöbert hatte. Soweit Melrose informiert war, absolut nichts. Aber Melrose mußte zugeben, daß Marshall sich in den Job richtig hineinkniete. Er

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