Fremde Federn
»Hazel.«
Nun war sie ganz bei der Sache. »Hazel? Ha-zel?« Sehr komisch. »So heiße ich nicht. Ich kenne nicht mal jemanden, der Hazel heißt«, sagte sie mit einer gehörigen Portion Verachtung.
»Es ist ein Londoner Name. Dort ist er sehr beliebt.« Nach einem Moment Nachdenken fragte Jury: »Hatte deine Mutter so Haare wie du, Zel?«
»Ja, nur leuchtender.« Sie zog sich eine Strähne über die Schulter, begutachtete sie und warf sie wieder nach hinten. Hier draußen in der Dunkelheit konnte sie die Farbe kaum gesehen haben. Dennoch machte sich deutlich Unmut auf ihrem Gesicht breit. Nicht so schön wie Mutters.
Da sagte Jury: »Schwer vorstellbar, daß es noch leuchtender war. Unmöglich.« Carole-annes Haar leuchtete vielleicht noch mehr, aber an Carole-anne war schließlich alles extrem.
»Sie sind Polizist. Sie sollten es doch raten können.«
»Was raten?«
Sie bedachte ihn mit einem Blick, der eine Kugel gestoppt hätte. »Meinen Namen. Darüber haben wir doch geredet.«
»Ich muß erst noch darüber nachdenken.«
»Den errät niemand. Nie.«
Sie stöhnte so untröstlich, als sei es wie in den Märchen, die sie gelesen hatte. Als werde sie von dem Bann, den ein böser Zauberer über sie gelegt hatte, nur erlöst, wenn jemand ihren Namen erriet.
34
»Mr. Bannen, lassen Sie uns nun über Dorcas Reese sprechen. Welches Motiv hatte die Beklagte, sie zu ermorden?«
»Das ist noch schwieriger. Soweit wir wissen, kannten die Beklagte und Dorcas Reese sich nicht, und ihre Beziehung in Fengate war lediglich die zwischen Gast und Hausangestellter.«
»Das legt doch den Schluß nahe, daß es kein Motiv gibt, nicht wahr?«
»Das habe ich nicht gesagt. Wir haben lediglich keines entdeckt. Das ist etwas anderes.«
»Glauben Sie, daß die beiden Frauen vom selben Täter ermordet worden sind?«
»Ja. Andererseits -«
Apted hob die Hand und schnitt Bannen das Wort ab. »Dann sollten wir nun wirklich über Dorcas Reese reden, denn wenn wir zeigen können, daß Jennifer Kennington keinen Grund hatte, Dorcas Reese zu ermorden, wäre sie - Ihrer Argumentation folgend -auch unschuldig an dem Mord an Verna Dunn. Trifft das nicht zu?«
»Ich -«
»Haben Sie das nicht gesagt, Mr. Bannen? Daß diese Verbrechen von ein und derselben Person begangen worden sind?«
»Ja. Der Meinung bin ich.« Zum erstenmal sah Bannens Gesicht angespannt aus.
»Lassen Sie uns einen Moment über diese falsche Schwangerschaft sprechen. Dorcas Reese hat ihrer Tante und einer Freundin erzählt, sie sei im dritten Monat schwanger. Ob sie das war oder nicht, ob der mutmaßliche Vater des Kindes es geglaubt hat und es nicht wollte oder sie nicht heiraten wollte - dieser Mann kann also sehr wohl ein Motiv gehabt haben. Besonders, wenn er bereits verheiratet war.«
»Ja, sicher. Bisher haben wir aber leider nicht herausgefunden, wer dieser Mann ist.«
»Aha. Und was ist mit Eifersucht? Was ist mit einem anderen Mann, der feststellen mußte, daß Dorcas untreu gewesen war?«
Davon hielt Bannen eindeutig nichts. »Sie war kein Mädchen, das eine Menge Verehrer hatte oder jemanden eifersüchtig machen konnte.«
»Eine Menge muß es ja auch nicht sein, einer würde genügen.«
Da lächelte Melrose. Er schaute Jenny an und dann Jury, der gestern abend spät aus Algarkirk zurückgekommen war und nun neben ihm saß. Er lächelte nicht.
»Ja, natürlich«, sagte Bannen. »Aber die Zeugen, die wir vernommen haben - Familienangehörige, Freunde - waren sehr erstaunt, daß das Mädchen schwanger war. Die einzige, die wußte, daß Dorcas, wie sie sich ausdrückte, >was Kleines erwartete<, war eine junge Dame, die mit ihr im Pub gearbeitet hat. Reese hatte es ihrer Tante, Madeline Reese, erzählt. Und ihrer Freundin Julie -«
»Julie Rough, der jungen Frau, die gestern ausgesagt hat, daß sie keine Ahnung habe, wer >der Kerl< sei?«
»Aber das heißt ja noch nicht -«
Wieder schnitt Apted ihm das Wort ab. Einen frei assoziierenden Zeugen wollte er unter keinen Umständen, und schon gar keinen so intelligenten wie den Chief Inspector. »Dann können Sie sich nicht dazu durchringen, das Motiv entweder in enttäuschter Liebe zu suchen oder in Dorcas' Forderung an den Mann, sie zu heiraten?«
»Nein. Aber sicher bin ich natürlich nicht.«
»Sie sind sehr fair, Mr. Bannen. Da wird also eine junge Frau, die in Fengate gearbeitet hat, erdrosselt und in einen Entwässerungsgraben auf dem Gelände des National Trust geworfen. Und das nur zwei
Weitere Kostenlose Bücher