Fremde Federn
vierten Finger seiner rechten Hand. »Das ist doch ein Ehering, oder?«
Er spielte damit. »Ich habe ihn aus reiner Gefühlsduselei behalten. Sie ist schon lang weg. Ich habe sie mit einem anderen Mann erwischt, einem Schlappschwanz von Schullehrer. Lehrer für Erdkunde, daß ich nicht lache, können Sie sich das vorstellen?« Fritzi wußte, warum sich seine Frau einen sanfteren Mann gesucht hatte - irgendeinen, jeden anderen Mann, bloß nicht Purvis.
»Ich habe mich scheiden lassen, als sie aus dem Krankenhaus zurückkam.« Er lächelte wieder, rieb sich die Handknöchel. Zweifellos wollte er sie wissen lassen, wozu er fähig war. Er war einer von Gottes Irrtümern. Sie dachte an Der Sturm. Er war Caliban mit einer Blechmarke.
»Sie machen es mir wirklich nicht leicht, Miss Fritzi.«
»Das ist auch nicht meine Absicht. Ich möchte, daß Sie gehen.«
»Wenn ich verdammt noch mal soweit bin.« Er stand langsam auf, trat zum Sofa. Ihr Mund wurde trocken. »Merken Sie sich eins. Die Patentverwertungsgesellschaft wird ihre Firma kriegen und ihr den Garaus machen. Es ist bloß eine Frage der Zeit. Werden Sie meine Freundin, dann ist’s leichter für Sie, wenn es erst soweit ist. Sie wissen, was ich meine?«
Als er dicht an sie herantrat, sprang sie vom Sofa auf und rannte zur Tür. »Ich rufe die Polizei.«
Für einen Mann seiner Statur war er schnell und behende. Er stellte sich vor die Tür, packte ihren linken Arm und preßte ihn ihr an den Leib, so daß sich seine Knöchel fest in ihren Busen drückten. Sein warmer Atem roch nach Nelken. Einer auf Brautschau . »Kommen Sie, seien Sie nett! Ich bin doch nicht so übel, oder?«
»Sie sind ein Schuft und ein eingebildetes Schwein.«
Er umfaßte ihre Taille mit der linken Hand und zog sie an den Hüften zu sich heran. Sie wand sich und wollte zum Sofa zurückweichen. Er hielt sie fest. »Wenn Sie das noch mal versuchen, riskieren Sie einen gebrochenen Arm.«
»Purvis, lassen Sie mich los. Hören Sie auf!«
»Klar doch, Sie brauchen mir nur zu geben, wozu ich gekommen bin.«
»Bitte nicht«, stöhnte sie, im stillen betend, daß sie nicht zu dick auftrug. Er stieß sie nach hinten, das Sofa drückte sich in ihre Beine. Während er ihr den Mund zuhielt, um ihre Schreie zu ersticken, und gleichzeitig das rechte Knie zwischen ihre Schenkel drückte, griff sie hinter sich. Endlich ertastete ihre Hand die Hutnadel. Mit aller Kraft stieß sie sie durch seine Cordhose von der Seite in sein Bein.
Purvis schrie vor Schmerz laut auf, und sie gab ihm einen Stoß. Er fiel auf den Rücken, aber in der nächsten Sekunde war er wieder auf den Beinen und ballte die Hand zur Faust, um sie niederzustrecken. Sie wich dem Schlag aus, der auf ihre Wange gerichtet war, rannte zur Kochnische, griff nach einer Wasserkaraffe und schleuderte sie nach der oberen Fensterscheibe. Das Glas splitterte und fiel auf den darunterliegenden Gehsteig.
Sie rannte hinter den Tisch. Seine Augen unter den buschigen Brauen flackerten, als er ihr nachhetzte. Im richtigen Moment stieß sie den Tisch in sein linkes, blutendes Bein. Er fluchte, sichtlich blaß. Sie beugte sich aus dem Fenster und schrie: »Polizei! Mörder! Hilfe, Hilfe!« Sie brauchte keine Schauspielschule, um überzeugend zu wirken.
Ein Mann mit einem Pudel an der Leine ging unten vorbei. »Haben Sie Probleme, meine Dame?«
»Hier ist ein Mann, der versucht .«
»Miststück!« Purvis schlug ihr mit der Faust auf den Hinterkopf. Sie prallte mit der Stirn gegen das Fenster, nur einen Fingerbreit von einem scharfen Glasstück, das aus dem Rahmen ragte.
Er schlug noch einmal zu. Einen Augenblick umfingen sie Schwindel und Dunkelheit. Dann fing sie an zu schreien und mit beiden Beinen wie eine Flamencotänzerin auf den Boden zu stampfen. Endlich hörte sie, daß draußen im Treppenhaus Stimmen laut wurden.
Purvis hörte das ebenfalls und rannte zur Tür. Die Hand auf dem blutigen Hosenbein, warf er ihr einen Blick zu, der scheinbar endlos war und mit furchtbarer Rache drohte.
Er riß die Tür auf und rannte brüllend, stoßend und schlagend die Treppe hinunter. Eine Frau kreischte - die Frau eines der Mieter im ersten Stock, sie erwartete ein Kind. Fritzi sah Purvis nach, als er aus dem Haus rannte. Voller Wut schleuderte sie ihm die Blumen durch das offene Fenster nach. Sie fielen in den Rinnstein.
Purvis hob sie auf, dann sah er nach oben. Er drückte den Strauß an seinen Mantel und sprang vornübergebeugt wie ein Affe auf die
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