Fremde Federn
Nix hat mit echten Kugeln geschossen. Wenn nicht, um Sie zu töten, dann doch, um Sie zu verletzen und Sie vielleicht für immer zum Krüppel zu machen. Man muß kein Intelligenzler sein, um sich das zusammenzureimen.«
Sie war selbst überrascht, wie schwach ihre Stimme klang, als sie sagte: »Wann ist es soweit?«
»Noch vor Weihnachten«, antwortete Kelly.
»Nein, nach Weihnachten«, widersprach B. B. »Sophie und ich müssen auch noch Chanukka feiern.« Kellys Antwort war ein mißmutiges Achselzucken.
»Ich werde darüber nachdenken. Ich versprech’s. Aber ich möchte vorher mit meinem Freund Hobart und mit Eddie darüber reden.«
B. B. tätschelte ihre Hand. »Lassen Sie sich Zeit. Einen ganzen Tag lang, wenn Sie wollen auch zwei. Dann kommen Sie zurück, und wir setzen sofort den Vertrag auf. Sie werden es nicht bereuen, Fritzi, das verspreche ich Ihnen.«
Fritzis langes Gesicht drückte beträchtliche Zweifel aus.
Sie besuchte Eddie im Hospital am unteren Broadway. Als sie sich der kahlen Allee, die zum Krankenhaus führte, näherte, begegnete sie Rita Hearn, die bereits auf dem Weg nach Hause war. Fritzi fragte Rita, was sie von Kalifornien hielt.
»Oh, wir freuen uns riesig. Ich hasse das hiesige Klima. Die Kinder können es gar nicht erwarten, den Winter in warmen Breiten zu verbringen.«
Eddies Bett war eines von vielen in einem düsteren Raum, dessen glatter Fußboden bei jedem Tritt widerhallte. Es stank nach Karbolsäure und Bettpfannen. Eddies geschientes Bein hing in einem Netz von Schnüren und Flaschenzügen. Es war Mittwoch nachmittag; die meisten Patienten schliefen, aber Eddie war wach und munter. Als Fritzi den Besucherstuhl ans Bett zog, erzählte er ihr, daß der Rumäne neben ihm eine Bruchoperation hinter sich hatte, während der reglose Klumpen zu seiner Linken ein Bankdirektor war, der versucht hatte, sich das Leben zu nehmen.
Fritzi beschrieb ihm kurz, in welch mißlicher Lage sie sich befand. Eddie nickte. »Ich weiß alles. Pelzer war hier. Er sagte, daß du nicht gehen willst.«
»Ich begreife ja, daß es eine Chance ist ...«
»Und wir versuchen es lediglich für den Winter, vergiß das nicht.«
Sie kratzte den Rücken ihrer linken Hand. Ihre Knöchel waren rot, ihre Haut von der Kälte trocken und aufgesprungen. In Kalifornien brauchte man keine Handschuhe, Mäntel, Stiefel, Schals und ähnlichen Ballast.
»Es ist furchtbar traurig, die ernsthafte Schauspielerei aufzugeben.«
»Was du machst, ist ernsthafte Schauspielerei.«
»Darüber können wir bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag diskutieren. Nehmen wir an, ich bliebe ein, zwei Jahre bei Pal. Was stünde mir bevor? Ich habe keine Lust, immer und ewig die Präriekönigin zu sein, und ich bin sicher, daß B. B. und Kelly genau das im Sinn haben.«
»Ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du mitgehst, werde ich alles tun, was in meiner Macht steht, um zu verhindern, daß du die Freundin des einsamen Indianers spielst, bis du fünfundneunzig bist. Uns wird schon etwas einfallen, das verspreche ich dir. Aber erst mal müssen wir Purvis und den Patentleuten entkommen.«
Der Rumäne mit dem Bruch rollte sich zur Seite und schrie: »Schwester, ich brauche die Schüssel! Schnell!« Eine kräftige Frau in gestärkter Tracht eilte herbei.
Eddie streckte die linke Hand nach einer Fachzeitung aus und warf dabei einen ganzen Stapel zu Boden. Fritzi musterte ihn eingehend. Sie sah in seinem Gesicht, daß er reifer geworden war. »Ich möchte bloß keinen Fehler machen, Eddie.«
»Denk an das Positive. Regelmäßiges Einkommen, egal, ob du arbeitest oder nicht. Für eine Weile mietfreies Wohnen. Das Auto, das B. B. dir angeboten hat. Willst du nicht Auto fahren lernen?«
»Doch, doch, natürlich, das ist doch der neueste Schrei.«
»Denk an das Meer, die Berge, an den Orangensaft. An die gutaussehenden, braungebrannten Männer. Was meinst du dazu, Fritzi?«
Zu ihrem Erstaunen schloß sich Hobart Eddies Meinung an. Er ermutigte sie, den Schritt zu wagen. Nicht nur vom künstlerischen Standpunkt aus, sondern auch aus Gründen der persönlichen Sicherheit.
»Es ist nur vorübergehend, bis dieser böse Mensch ein anderes Opfer findet.«
Sie sah Purvis im Geiste vor sich - seine eigenartigen, gelbgesprenkelten Augen. Ein Gedächtnis wie ein Elefant, hatte er gesagt. Ich vergesse nichts.
»Vielleicht hast du recht. Es muß ja nicht für immer sein, nicht wahr?«
Sie schrieb einen Brief an Eustacia Van Sant in England:
»Ich breche
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