Fremde Federn
spähte durch das Zielfernrohr, dann senkte er die Mündung, um ihre Knie zu treffen. Eddie brüllte wie ein Wahnsinniger und riß sie von hinten zu Boden.
Fritzis Kinn bohrte sich in den Staub. Später schwor sie, gespürt zu haben, wie die Kugel über ihren Kopf hinwegzischte. »Packt ihn, laßt ihn nicht entkommen!« schrie Eddie.
Nix suchte Deckung hinter dem Wagen, dann rannte er auf die Bäume zu. Fritzis Herz raste wie wild, da sie immer noch das entsetzliche Bild der Gewehrmündung vor Augen hatte. Irgend jemand hatte Nix geschickt, um auf sie zu schießen und sie zu verletzen, und sie wußte auch, wer dieser Jemand war.
Würgend und japsend sah sie, wie B. B. aus seinem Stuhl aufsprang und nach vorne hechtete, um Nix den Weg abzuschneiden. Zwei Schritte hinter ihm schrie Sophie: »Benny, sei vorsichtig!« B. B. bekam Nix schließlich am Unterarm zu fassen.
»Da hast du’s.«
Nix riß sich los und drehte das Gewehr um, zweifellos in der Absicht, B. B. mit dem Kolben niederzuschlagen. Als er ausholte, stolperte B. B. das niedersausende Gewehr verfehlte ihn und traf statt dessen Sophie direkt über dem rechten Ohr; das Geräusch war widerlich. Die Vögel auf ihrem Hut verloren die Federn, während Sophie zu Boden fiel.
»Sophie!« B. B. kniete neben seiner Frau. Eddie zog seine Waffe und stürmte zum Angriff. Hobart war mit seinem erhobenen Stock dicht hinter ihm. Nix zielte auf Eddie, spannte den Hahn, aber das Gewehr klemmte. Schlitternd wich Eddie aus und feuerte seinerseits auf Nix. Der Schuß ging daneben. Jetzt waren die beiden nicht mehr weit voneinander entfernt. Nix machte einen Satz nach vorne, schwang das Gewehr am Kolben und traf Eddies Knie. Man hörte das Krachen der Knochen, Eddie ging zu Boden.
Nix hatte gerade noch Zeit, in den Wald zu rennen und zu verschwinden. Kelly warf ihm Steine hinterher und stieß sinnlose Flüche aus. Das Rascheln im Unterholz, das Nix’ Flucht begleitete, wurde leiser. Dann erstarb das Geräusch vollends, und die letzten zur Seite gebogenen Äste schwangen wieder an ihren Platz zurück.
Fritzi schob sich die blonden Strähnen aus den Augen und besah sich den Schaden, der Pal innerhalb weniger Minuten zugefügt worden war. Sophie Pelzer lag mit blutendem Schädel bewußtlos am Boden. Ihr Mann hielt sie in der Armen und rief unablässig: »Sophie, Sophie.«
In der Nähe des Zeltes lag Eddie und hielt sein Bein umklammert. Hobart hielt vergeblich nach jemandem Ausschau, den er mit seinem Stock hätte angreifen können. Jock Ferguson machte sich an der durchlöcherten Kamera zu schaffen, das Gesicht schmerzverzerrt wie das eines Vaters, der auf sein krankes Kind blickt. Kelly erkundigte sich nach dem Ausmaß des Schadens. Ferguson schüttelte den Kopf. »Kaputt.«
Und das alles ist meine Schuld, dachte Fritzi.
45. B. B. TRIFFT EINE ENTSCHEIDUNG
Travis und Ollie tauchten im Wald wieder auf. Ein Arzt aus Fort Lee schiente Eddies gebrochenes Bein. Sophie Pelzer wurde in einem Krankenwagen noch in der Nacht in die Stadt transportiert; man vermutete eine leichte Gehirnerschütterung.
Kelly und B. B. suchten die New Yorker Polizei auf. Aber Nix war unter seiner letzten bekannten Adresse nicht zu finden. Als Polizeibeamte Pearly Purvis befragten, der bei Steak und Eiern im Restaurant des Hotels Astor saß, lachte er bloß. Er war in seinem Büro gewesen und hatte mit seinen Partnern eine Sitzung abgehalten - ein hieb- und stichfestes Alibi. Fritzi und alle anderen waren sehr niedergeschlagen.
Zwei Tage später, am ersten November, ließ Kelly sie in sein Büro kommen. Seit Tagesanbruch war Schnee gefallen, schwerer, nasser Schnee, den Pferde, Wagenreifen und die Füße der Stadtbewohner in der Vierzehnten Straße bereits in dunklen Matsch verwandelt hatten.
»Kommen Sie rein, Fritzi«, sagte Kelly. Er beherrschte den Raum von seinem Schreibtischstuhl aus. B. B. saß unter dem Bild der Jungfrau Maria und hielt sich den Kopf.
Kelly zog sich die Ärmel herunter und räusperte sich. »Schließen Sie die Tür. Bitte.«
»Hat man Nix gefunden?« wollte sie wissen. Kelly schüttelte den Kopf.
»Ich vermute, daß wir ihn auch nicht finden werden. Er war wahrscheinlich schon auf dem Weg nach Alaska, als sich die Polizei eingeschaltet hat.«
Fritzi ließ sich auf dem Stuhl neben dem Schreibtisch nieder. Kelly blickte nervös auf seine Fingernägel, dann fuhr er fast flüsternd fort: »Ich habe Sie hergebeten, weil wir mit ein paar Leuten sprechen. Es ist
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