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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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schlugen ihr Lager im Schutz ihres Wagens auf. In der Ferne heulte ein wildes Tier. Paul fühlte sich verloren in dieser Landschaft, die gespenstisch im Mondlicht lag. Aus seinem Gepäck nahm er einen kleinen, mit Scharnieren versehenen Behälter, klappte ihn auf und hielt ihn schräg, damit das Licht von oben darauf fiel.
    Auf der linken Seite befand sich eine Photographie seiner vier Kinder, aufgenommen am Neujahrstag unter viel Geschrei und mit viel Mühe. Die siebenjährige Betsy in einem hübschen Kleidchen, auf dem Sofa neben ihr die zweijährige Lottie. Betsy hielt das Baby, den acht Monate alten Theodore Roosevelt Crown. Teddy war ein kränkliches Kind, genau wie der Mann, dessen Namen er trug. Das Babykleidchen zeigte nur wenig von ihm, nur ein feistes, rundes Gesicht-chen mit Knopfaugen. Der zwölfjährige Shad, der mit seinem steifen Hemdkragen aussah, als fühle er sich ziemlich unbehaglich, stand hinter den dreien, eine Hand auf Betsys Schulter, die andere, wie Napoleon, im Rock.
    Im anderen Oval steckte ein Bild seiner geliebten Julie. Das Andenken war zwar kein Ersatz für sein Zuhause, aber schon wenige Augenblicke mit den sepiabraunen Bildern vertrieben Pauls Einsamkeit. Er legte sich schlafen.
    Zwölf Stunden später marschierte Villas Armee aus Reitern, Infanteristen und mitziehendem Frauenvolk aus der Wüste herauf und griff an.
    Ein Dutzend Reiter ritten aus einer lehmgelben Staubwolke hervor. Orangerotes Mündungsfeuer blitzte aus den Mauser-Gewehren auf. Eine Revolverkanonade von Seiten der Federalistas erwiderte die Attacke. Die sich drehenden Rohre ragten am Ende der Straße aus einer Kirchentür hervor, genau dort, wo Paul und Sammy kauerten; das Fahrgestell der Kanone war im Innern der Kirche versteckt. Der für den Einsatz der Kanone zuständige Offizier war vor kurzem während einer Feuerpause herausgetreten und hatte den Platz und die Häuserdächer der Umgebung mit einem Feldstecher abgesucht. Seine Uniform erinnerte Paul an die preußischer Offiziere. Sein Helm war die bekannte Pickelhaube, glänzendes Metall mit einer Spitze. Ein beträchtlicher Teil der mexikanischen Bevölkerung stammte aus Deutschland.
    Die Reiter der Rebellen galoppierten die Straße entlang auf die Geschützstellung zu. Der von den Hufen aufgewirbelte Staub drang Paul in die Augen, als er sich mit Sammy gegen eine gelbe Wand drückte, an der ein durchlöchertes Spruchband mit den Worten Viva Villa! Viva la Revolution! hing. Die Rebellen rückten Straße um Straße, Platz um Platz näher; die Nachhut feierte bereits jetzt den Sieg des Volkes, indem sie ihre Landsleute ausraubte und vergewaltigte.
    Paul rammte das Stativ in den Boden und fing an zu kurbeln, um sich die Reiter, deren Umrisse sich vor dem sonnigen Platz abzeichneten, nicht entgehen zu lassen. Die Revolverkanone erwiderte das Feuer, Kanonenkugeln rissen eine lange Furche in die gelbe Wand. Sammy legte die Arme schützend über den Kopf. »Du lieber Gott, hoffentlich hat meine Alte nicht vergessen, die Versicherungsraten immer pünktlich zu bezahlen.«
    »Ich gehe voraus. Du bleibst hier und hältst dich aus der Schußlinie.«
    »Wohl eher nicht«, murrte Sammy. Er war ein treuer Helfer, tapfer und erfinderisch, zwei weitere Gründe, warum Paul ihn ins Herz geschlossen hatte.
    Sie krochen vorwärts. Auf dem von der Revolverkanone unter Beschuß genommenen Platz zügelten die Rebellen ihre Pferde und beschossen nun ihrerseits die Kirche. Paul hievte den Dreifuß auf die Schulter und rannte durch die dunkle Straße ins helle Sonnenlicht. Am Rand des Platzes lief er an einem verwundeten Rebellen vorbei, der mit ungläubigem Blick und herausquellenden Eingeweiden an der Wand lehnte. Die Revolverkanone ratterte und mähte eines der Pferde um. Mit einem Schwall schwärzlichen Blutes brach es unter seinem Reiter zusammen. Das Geschütz tötete auch den Reiter, als er absprang. Sein durchlöcherter Körper fiel auf das tote Tier.
    Pferde wieherten und bäumten sich auf, während die Kanone unaufhörlich weiterratterte. Paul hechtete unter die Markise einer cantina. Er schob einen Tisch zur Seite, sah, daß er immer noch einhundertsiebzig Meter Film zur Verfügung hatte. Wieder begann er zu kurbeln.
    Ein Rebellensoldat auf einem scheuenden Pferd krachte in die Pfosten, welche die Markise stützten. Sie fiel zusammen, das Pferd bäumte sich laut wiehernd auf, der Soldat sprang ab. In dem Augenblick traf eine Kugel sein Gesicht, riß ihm ein Auge aus, zerfetzte

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