Fremde Federn
stehen wir unter Arrest, oder können wir weiter unserer Arbeit nachgehen?«
Villa lächelte nachdenklich und erwiderte: »Drücken wir es so aus: Sie befinden sich unter unserer Obhut, bis wir sehen, wohin unsere Gespräche führen.« Er musterte Paul mehrere Sekunden lang schweigend. Dann strahlte wieder Heiterkeit aus seinen Augen. »Ich habe mit Ihnen gespielt, sie taxiert. Ich hörte, es sei jemand in der Stadt, der Filme dreht, meine Kundschafter haben mir das berichtet. Ich habe Leute ausgeschickt, Sie aufzuspüren und unversehrt herzubringen.« Villa kratzte sich am Kinn. »Nun, was halten Sie von der Revolution des Volkes?«
»Nach allem, was ich gelesen habe, würde ich sagen, daß ihre Ziele ehrenwert sind. In Mexiko haben schon immer einige wenige das ganze Land besessen. Darunter sind viele nicht Ihre Landsleute. Kennen Sie den Namen William Randolph Hearst?«
»Ja. Sehr berühmt. Er besitzt Zeitungen.«
»Hearst verfügt außerdem über viele Güter in Ihrem Land. Aus naheliegenden Gründen ist er gegen eine Landreform und gegen die Volksbildung. Deshalb ist es höchst verdienstvoll, was Sie verfolgen. Aber es wird viel Blut vergossen. Ich mag das Töten nicht. Ich mag den Krieg nicht, ganz gleich, aus welchem Grund er geführt wird.«
Villa setzte die Flasche an den Mund. Ein Teil der Flüssigkeit rann ihm über das Kinn. Seine schlauen Augen blieben durch das verschmierte Glas der Flasche auf Paul gerichtet.
»Ich könnte viel Geld für Sie und Ihren Freund bekommen«, erklärte er.
Paul schüttelte den Kopf. »Sie wären nicht der erste, der das versucht. Voriges Jahr waren mein Partner und ich in Serbien. Banditen hatten uns gefangengenommen und zweitausend Pfund verlangt, andernfalls sollten wir hängen.«
»Ich sehe keine Narben am Hals.«
»Wir konnten fliehen. Sie müssen wissen, unser Arbeitgeber sitzt in London. Er ist reich, aber kein Narr. Wir wußten, daß er nicht bezahlen würde. Ebensowenig würde er jetzt bezahlen.«
Wieder bedachte Villa Paul mit einem langen fragenden Blick. Dann winkte er. »Um ehrlich zu sein, habe ich das auch nicht ernst gemeint. Ich bewundere Männer wie Sie. Mutig. Mannhaft.« Er strich über seinen Schnurrbart. »Lassen Sie uns über die Filme sprechen, die Sie machen. Filme sind modern. Sie erreichen viele gebildete Menschen.«
»In der ganzen zivilisierten Welt«, meinte Paul zustimmend.
»Hätten Sie nicht Lust, gute Filme von meiner Armee zu machen?«
»Mit Ihrer Mithilfe? Dazu hätte ich in der Tat Lust, General.«
»Ich spreche von Filmen, die sonst niemand machen dürfte.«
»Noch besser.« Was zum Teufel geht hier vor?
Villa stellte die Flasche auf sein Knie, eine kleine Betonung seiner Absichten.
»Sehr gut. Sie bezahlen fünfundzwanzigtausend Dollar, dann erhalten Sie die Erlaubnis, meine Armee zu begleiten, meine Schlachten zu filmen, und kein anderer bekommt eine weitere Erlaubnis.«
»Sie wollen Geld für die Berichterstattung?« fragte Paul, um sicherzugehen, daß er richtig gehört hatte.
»Die Revolution braucht dringend Geld.« Der General beugte sich wie ein alter Teppichhändler vor, um seinen Vorschlag zu unterstreichen. »Ich werde Ihnen jeden Wunsch erfüllen. Wenn wir beispielsweise ein Ziel angreifen, Juarez oder Ojinaga oder irgendeine andere Grenzgarnison, greife ich nicht an, bevor Sie nicht bereit sind und mir sagen, daß wir loslegen können.«
Paul hatte das Gefühl, in Alice’ Kaninchenbau geraten zu sein. Er zog lange an seiner Zigarre.
»General, vielleicht verstehen Sie mich nicht, aber bitte versuchen Sie es. Filme müssen die Wahrheit zeigen, weil es schon genug Ver-logenheit und Ignoranz und was sonst noch Übles auf der Welt gibt, da müssen wir nicht noch nachhelfen. Wenn Sie eine Schlacht nach unserem Zeitplan schlagen, dann ist das nicht die Wahrheit.«
Villa verstand durchaus; sein sanftes Lächeln verwandelte sich in Stirnrunzeln. »Das ist Ihre Antwort? Oder ist es die Antwort des Mannes, für den Sie arbeiten?«
»Wie er antworten würde, weiß ich nicht, er sitzt in England. Ich werde ihm meine Antwort mitteilen, wenn ich ihn sehe. Wenn sie ihm nicht gefällt, wird er mich entlassen.«
»Das ist also Ihre Antwort?«
»Ja.«
Villas Stirn verdunkelte sich, er spuckte zwischen seine Stiefel, setzte die Flasche an, leerte sie und zeigte dann damit auf Paul. »Ich habe mich in Ihnen geirrt, Gringo. Als ich Sie hierher bringen ließ, dachte ich, ah, er sieht aus wie ein vernünftiger Mann. Ich
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