Fremde Federn
Gelände dazu war eben, jedoch mit kleinen Felsbrok-ken übersät. Im Licht der tiefstehenden Sonne konnte man lange Risse in den Flügeln des Doppeldeckers ausmachen. Harvard war unter Beschuß geraten und getroffen worden. Aber das Gestell, auf dem die Bomben aufgeschichtet gewesen waren, das sich in einem Gitter dicht hinter dem Pilotensitz befand, war leer. Er hatte alle acht Bomben abgeworfen. Durch die Detonationsvorrichtung in ihrer Spitze explodierten die Bomben, sobald sie den Boden berührten.
Harvard setzte nach einer Reihe von Känguruhsprüngen schließlich mit einem letzten Hüpfer auf und rollte dann knapp an zwei größeren Felsblöcken vorbei. Tom Long rannte ihm entgegen. Harvard sprang aus dem Flugzeug; es gab keine Sicherheitsgurte oder dergleichen, die er hätte ablegen müssen. Der Mechaniker überschüttete ihn mit Fragen, aber Harvard ignorierte ihn und stapfte auf René zu.
»Erfolg, mon ami?«
»Hab’s ihren Güterwaggons ganz schön gegeben. Ein paar Pferde und vielleicht ein paar von den Weibsstücken, die auf dem Dach gebrutzelt haben, sind dabei draufgegangen.« Harvard spie einen Schleimklumpen aus. »Aber was macht das schon? Eine Bombe hier, eine Bombe da, das nützt genausoviel, als würde man seinen Schwanz in eine Tunte stecken, um Kinder zu machen. Wo ist dieser Schuft Ruiz? Ich hoffe, er hat die Lohntüten gebracht.«
»Hat er nicht«, sagte Carl.
»Scheiße. Wir warten schon seit drei Wochen.«
»Wo würdest du’s auch ausgeben wollen?« fragte René und zuckte verächtlich mit den Schultern.
»Hier geht’s ums Prinzip, Franzmann.« Harvard klatschte in die Hände. »Ums Prinzip. Du mußt diesen Bastarden einheizen.«
»Und wie, wenn ich fragen darf? Soll ich ihnen die Pistole auf die Brust setzen und sie zwingen, im Hauptquartier Geldscheine zu drucken?«
»Ist mir ganz egal, solange wir bezahlt werden. Mein Vertrag besagt, daß ich zweihundertfünfzig Dollar für jeden Bombeneinsatz bekomme, und diese Woche bin ich schon zwei geflogen. Ich lasse mich von diesen Schmalzlockenheinis nicht bescheißen.«
»Ich bin sicher, daß in der Nationalbank genügend Silber liegt, um uns auszuzahlen. Es klappt nur nicht so recht mit der Verteilung. Nimm das Leben, wie es kommt, mon ami.«
»Danke, ich nehme lieber meinen Lohn.« Harvard zog ein dreckiges Taschentuch heraus, um sich die Nase abzuwischen. Seine grünen Augen in dem schmutzverkrusteten Gesicht funkelten wie die eines Nachttiers.
»Ich will dir was sagen. Wenn mich diese Seite nicht bezahlt, dann könnt’ ich mir vorstellen, daß es die andere tut. Ich habe die Berichte gelesen.«
Das hatten sie alle: Fünfzehntausend Dollar wurden geboten, wenn man ein Flugzeug zu den Villistas flog. René fuhr zornig auf. »Wie kannst du es wagen, nur daran zu denken, deine Kameraden zu verraten? «
»Ich kümmere mich ganz allein um mich, Franzmann.«
»Wenn das Major Ruiz zu Ohren kommt, könnte er dich an die Ziegelwand stellen, die Villa so berühmt gemacht hat.«
Harvard betupfte sich die Nase, dann stopfte er das Taschentuch in seine Reithose. »Zum Teufel mit ihm und zum Teufel auch mit euch, ihr Feiglinge! Wer sich mir in den Weg stellt oder auch nur ein Wort zum Major sagt, dem blase ich das Hirn aus dem Schädel.«
Er verschwand ins Innere des Waggons, wo er Bert anherrschte, ihm »immediatamente« sein Essen zu servieren. Sie hörten, daß Harvards Hand auf nacktes Fleisch aufschlug, dann einen Aufschrei von Schmerz.
Drei Tage danach meldete Tom Long Harvard bei Sonnenuntergang wieder als verspätet. Carl spielte Solitär, trank eine warme cerveza und betrachtete die länger werdenden Schatten des riesigen Säulenkaktus neben der Bahnlinie, bis sie im Dunkel verschwanden. Um halb neun ließ René seine Taschenuhr aufschnappen, schaute aufs Zifferblatt und klappte sie wieder zu.
»Er hat seine Drohung wahr gemacht. Wir werden ihn nicht wiedersehen. Wenigstens nicht auf unserer Seite.«
Bert hatte von der Küche aus zugehört. Er grinste und stieß einen leisen Pfiff aus. René warf ihm einen tadelnden Blick zu und flippte seine Zigarette aus dem Fenster.
»Und mir bleibt jetzt das Vergnügen, den Major zu informieren«, murmelte er im Hinausgehen.
64. DIE GESCHICHTE KOMMT IN GANG
Eddie setzte den Dreh von Die Kuhhirtin und der alte Schlitten für Dienstag bis Freitag kommender Woche an. Wie immer vor einem neuen Film schlief Fritzi schlecht. Um fünf Uhr hüpfte sie aus dem Bett, zog sich an und machte sich
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