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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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es auch nicht. Paul, Sie sind ein begabter Mann und ein tapferer dazu. Ich schätze Sie sehr. Sie haben viel durchgemacht. Das fordert seinen Preis. Ich rate Ihnen, eine Woche lang auszuspannen. Fahren Sie mit Ihrer Frau und den Kindern aufs Land. Mit klarerem Kopf werden Sie einsehen, daß wir tun, was wir tun müssen. Sie müssen mich jetzt entschuldigen, in zehn Minuten trifft sich die Redaktion des Light.«
    Mit schwerfälligen Schritten ging er auf die lederbezogene Tür zu. Paul nahm die Zigarre aus dem Mund. »Sir?«
    »Ja?«
    »Ich kündige. Mit sofortiger Wirkung.«
    Langsam kam Seine Lordschaft zurück in den Raum. Seine fetten kleinen Finger spielten mit den dicken Gliedern seiner goldenen Uhrkette.
    »Führen Sie sich nicht wie Don Quichotte auf, ich bitte Sie.«
    »Entweder mein Film kommt in die Wochenschau der Filmtheater .«
    »Damit wir alle eingesperrt werden?«
    »Sie haben sich auch in der Vergangenheit schon unbeliebt gemacht, haben Whitehall die Stirn geboten.«
    »Diesmal nicht. Ein Dolch ist auf Englands Herz gerichtet.« Eine theatralische Ausdrucksweise, obwohl Paul nicht an der Leidenschaft und der Überzeugung dieses Mannes zweifelte. Das ganze Land war am Rande einer Hysterie aus Furcht vor einer deutschen Invasion.
    »Dann ist es meine Pflicht, die Wahrheit auf anderen Wegen ans Tageslicht zu bringen.«
    »Mein Junge, es ist sinnlos, sich in Positur zu setzen und .«
    »In Positur setzen?« Die Worte explodierten. »Haben Sie sich den Film wirklich angeschaut? Sechs unschuldige Menschen wurden ums Leben gebracht, sie wurden niedergemetzelt. Der verfluchte deutsche Offizier, der den Befehl dazu gab, hatte seinen Spaß daran. Das ist der Feind, den wir bekämpfen. Das muß der Öffentlichkeit gesagt werden.«
    »Aber nicht von uns. Sie strapazieren meine Geduld wirklich sehr. Sie befolgen meine Anweisungen, oder Sie können morgen ins Lohnbüro gehen und sich den Rest Ihres Gehalts auszahlen lassen.«
    »Es wird morgen früh mein erster Gang sein.«
    Lord Yorke öffnete die Tür. »Ihre Familie wird unnötig leiden, das wissen Sie.«
    »Wir haben darüber gesprochen. Julie teilt meine Meinung.«
    »Sie begreifen nicht, wieviel Macht die Männer haben, denen Sie sich entgegenstellen. Die werden Sie wegen Verbreitung von Lügenmärchen zermalmen und zum Frühstück verspeisen.«
    »Vielleicht aber auch nicht. Das sind auch nur Menschen. Und offenbar sogar Feiglinge, denn sie haben Angst vor der Wahrheit.«
    »Armer Narr«, seufzte Lord Yorke und verließ das Zimmer. »Ich hatte Ihnen mehr Verstand zugetraut.«
    Lord Yorkes Schuhe mit den erhöhten Absätzen klickten auf dem Weg durch die Marmorhalle. Pauls Hand zitterte, als er sich eine neue Zigarre anzündete. Durch einen Irrgarten von Korridoren gelangte er in die Empfangshalle, die dreimal so groß war wie sein Wohnzimmer. Sammy sprang von einer Bank auf und warf ein Ex-emplar des Light beiseite. Er sah, in welcher Verfassung Paul war.
    »Chef, was zum Teufel ist da drin passiert?« Paul erzählte es ihm in kurzen Worten. Zuerst war Sammy sprachlos, dann wütend. »Beim Himmel, das is’n gemeines Verbrechen!«
    »Offensichtlich ist es ein schlimmeres Verbrechen, Filme wie unsere zu zeigen.«
    »Wollen Se was dagegen tun?«
    »Hab’ ich schon. Ich hab’ gekündigt.«
    Sammys Augen traten hervor. »Was, einfach so?«
    »Einfach so. Ich muß noch mein Büro im Cecil Court ausräumen. Seine Lordschaft wird jemand anderen einstellen, Miss Epson ist also versorgt. Und du auch.«
    »Zum Teufel! Ich kündige auch.«
    »Das kannst du dir nicht leisten, Sammy. Laß mich die Verantwortung tragen.«
    »Aber das is’ falsch, Chef. Von Anfang bis Ende, das is’ falsch.«
    Paul antwortete mit müdem Achselzucken. »Wir leben in einer unvollkommenen Welt.«
    Er zog an einer Glocke, daraufhin setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Ein filigraner Käfig mit einem älteren Fahrstuhlführer kam in Sicht. »Wohin, Sir?«
    »Vierter Stock.« An Sammy gewandt, sagte er: »Michael will ein Bier mit uns trinken.«
    Sie traten aus dem Fahrstuhl in einen großen, grell beleuchteten Raum mit unzähligen Schreibtischen und dem Geklapper eiserner schwarzer Schreibmaschinen. Laufburschen rissen den Reportern die Meldungen aus der Hand und brachten sie mit der Geschwindigkeit flüchtiger Diebe zu einem zentralen, hufeisenförmigen Stützpunkt. Hier zerpflückten die Herausgeber das Geschriebene, sie redigierten die Manuskripte mit dicken Bleistiften, bevor sie in

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