Fremde Federn
dir das zu sagen.«
»Und was willst du mir jetzt sagen? Lebe wohl?«
»Wahrscheinlich.«
»Wann?«
»Jetzt. Ich habe vor, morgen früh nach Norden aufzubrechen. Kauf mir eine Fahrkarte für den Schnellzug nach Frisco. Da bleibe ich wahrscheinlich ein oder zwei Tage, dann will ich mir Hawaii ansehen, wo die Ananas wachsen.« Er räusperte sich, fast wie ein Priester vor Beginn der Predigt. »Ganz egal, wohin ich gehe, ich werde dich nie vergessen.«
»Welch ein Trost«, spie sie bitter aus. »Welch ein Trost, nachdem du mich einfach so weggeworfen .«
»Hör zu, ich hab’ dir doch gesagt, daß ich nie .«
»Glaubst du, ich wüßte das nicht, Mister«, schrie sie in perfekter Imitation seines texanischen Tonfalls. Im Licht der Straßenlampe sah sie, wie sein Gesicht weiß wurde und seine Hand ausholte, als wollte er sie schlagen. Sie bedeckte ihr Gesicht, aber der Schlag blieb aus. Während sie ihre Hände in den Schoß senkte, beobachtete sie, wie er seine Faust öffnete und die Finger ausstreckte.
»Ja, Ma’am, du hast es gewußt.«
»Loy, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verspotten.«
»Natürlich wolltest du. Und es ist dir auch hervorragend gelungen. Vergiß es.«
Obwohl Fritzi mit ihren Nerven am Ende war, brachte sie es fertig zu sagen: »Können wir weiterfahren, bevor ich mir das Herz aus dem Leib schreie?«
Er wollte etwas einwenden, besann sich aber eines Besseren. Auf der langen Fahrt in sein verwahrlostes Quartier hinter einem der Ställe in der Alessandro Street blieb sie stumm; sie krallte nur die Nägel in ihre Handballen und hoffte, daß dieser Schmerz sie davon abhalten würde, in Tränen auszubrechen. Als sie die Straße erreichten, fuhr er in die Gasse und stieg aus. Er stellte sich neben das Auto. Fritzi drückte ihre Tür auf und wäre beinahe gefallen, so geschwächt war sie von Schmerz und Zorn. Sie ging um den Wagen herum. Er trat höflich zurück und hielt ihr die Tür auf. Der Regen schlug ihr ins Gesicht und vermischte sich mit ihren Tränen.
»Kannst du so nach Hause fahren?«
»Was zum Teufel macht das schon aus?« Sie warf sich auf den Sitz, die Augen verquollen und kaum in der Lage, mit ihren steifen Fingern das Lenkrad zu finden.
Beinahe mit der Zärtlichkeit eines Geliebten sagte er: »Es macht sehr viel aus. Es gibt Millionen Menschen, die dich für etwas Besonderes halten. Sie lieben dich.«
»Der einzige, an dem mir liegt, liebt mich nicht.«
»Verdammt noch mal, Fritzi .«
»Nimm deine Hände vom Auto, Loy! Leb wohl!«
Sie wendete den Locomobile in der Gasse und schoß hinaus auf die Alessandro Street. Obwohl sie auf den leeren Straßen fast im Zickzack fuhr und beinahe mit einem Wagen der Pacific Electric zusammengestoßen wäre, schaffte sie es ohne Unfall bis nach Venice.
Ihr dunkles Schlafzimmer wurde stummer Zeuge eines Gefühlsausbruches, der Fritzis Idol Miss Terry oder der Duse würdig gewesen wäre. Sie riß sich die Kleider vom Leib, trampelte darauf herum und grub ihre Absätze hinein, um sie zu vernichten. Im Bett warf sie sich von einer Seite auf die andere und erstickte ihr Schluchzen, indem sie das Kissen vor das Gesicht preßte. Einmal hätte sie beinahe laut aufgeschrien, aber mit Rücksicht auf die Hongs und auf Lily hielt sie sich zurück. Sie weinte seit zwei Stunden. Langsam machte sich Erschöpfung breit.
Sie riß an ihrem verhaßten Lockenhaar, um sich weh zu tun, aber als ihr klar wurde, wie lächerlich das war, lachte sie, ein stockendes, freudloses Lachen. Der Schmerz würde Jahre dauern. Vielleicht würde er nie vergehen. Der Verlust des Jungen, in den sie vor langer Zeit in Savannah verliebt gewesen war, war nichts im Vergleich dazu. Diesmal war ihr gebrochenes Herz nicht mehr zu heilen.
77. U-BOOT
Tausende von Meilen weiter östlich, in den Gewässern des Jadebusens, einer Bucht an der ostfriesischen Küste der Nordsee, war die Sonne schon aufgegangen.
Das neue Unterseeboot bewegte sich leise an der Vertäuung. Auf dem Vorderdeck klappte Sammy das Stativ auseinander, während Paul auf und ab ging, das auf das Wasser fallende Licht studierte, den eisernen Kommandoturm und die Schieferdächer von Wilhelmshaven auf dem Festland. Paul und Sammy waren nach Deutschland gekommen, um mehr Filmmaterial für eine geplante Vortragsreihe zu beschaffen. Paul beteiligte seinen Helfer am finanziellen Ertrag seines Buches. Der Exekutionsfilm lag sicher in einem Londoner Banksafe.
Der U-Boot-Kommandant, Kapitänleutnant Waldmann, stand
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