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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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halbrunden roten Dachziegeln. Es hätte auch ihr Auge erfreut, hätte es in ihrem Herzen und ihrem Kopf Platz für architektonische Feinheiten gegeben.
    Zwei Tage nach Neujahr zog sie ein. Zur Feier des Tages und um die Stille der langen einsamen Nachtstunden erträglicher zu machen, ersetzte sie ihren alten Phonographen durch einen neuen, ein moderneres Gerät, einen Victor mit einem bunten, blütenförmigen Trichter, aus dem nun traurig-romantische Musik durch das Haus tönte.
    Am ersten Sonntag in ihrem neuen Heim überraschten ihre Kollegen sie mit einer Einweihungsparty, die Hobart und Polo organisiert hatten. Ihre engsten Freunde wußten über Loy Hardins plötzliches Verschwinden Bescheid und wollten sie so ein wenig aufmuntern.
    Eddie brachte Rita mit, Jock Ferguson kam mit seiner Irma, und B. B. wurde von Sophie begleitet. Al Kelly ließ sich damit entschuldigen, anderweitig verpflichtet zu sein, und schickte eine billige Glasvase. Charlie übermittelte seine guten Wünsche per Telegramm. Die kleine Mary kam mit Fairbanks; ihre Affaire war in Filmkreisen ein offenes Geheimnis. Das Gedächtnis des gutaussehenden Schauspielers hatte sich einer wundersamen Wandlung unterzogen. Er küßte und drückte Fritzi, als seien sie von Kindheit an dickste Freunde.
    Mr. Hong lieferte den Champagner, den er günstig von einem Großhändler erstanden hatte. Begleitet vom wohlwollenden Lächeln von Mrs. Hong, sprach Mr. Hong einen Trinkspruch aus. Er bat die Götter, dem Haus wohlgesonnen zu sein und ihm Glück zu bringen. Dieses Glück gibt es nicht, dachte Fritzi, als sie das Glas hob. Jetzt hatte sie zwar die Einsamkeit, nach der sie sich gesehnt hatte, aber noch lange keinen inneren Frieden.
    Am Abend des achten Februar, einem Montag, war die Premiere des Films The Clansman von David Wark Griffith im Clune’s Auditorium im Stadtzentrum. Zwar hatten schon unangekündigte Voraufführungen des Films in Randbezirken wie Riverside stattgefunden, aber Fritzi hatte wenig darüber gehört, außer daß der Untertitel The Birth of a Nation, Die Geburt einer Nation, hinzugefügt worden war und Organisationen der Schwarzen vergeblich versucht hatten, eine gerichtliche Verfügung gegen die Aufführung des Films zu erwirken.
    Die Karten für die Premiere in Los Angeles kosteten zwei Dollar. Trotz des hohen Preises war das Haus mit seinen zweitausendfünfhundert Plätzen restlos ausverkauft, und die Schwarzmarktpreise stiegen am Wochenende vor der Erstaufführung auf zwanzig Dollar. Die Premierenfeier wurde jedoch gestört von etwa einem Dutzend Schwarzen, die sich unter dem Zeltdach an der Fünften Straße versammelt hatten. Nachdem der Film in der Stadt noch nicht gezeigt worden war, meinte Fritzi, die Protestierenden glaubten, der Film halte sich an das rassistische Gedankengut des Romans von Dixon. Plakate wiesen die Demonstranten als Mitglieder der National Association for the Advancement of Colored People aus, einer Organisation, die sich für die Integration der Farbigen einsetzte und die es noch keine zehn Jahre gab.
    Fritzi wurde an jenem Abend von Hobart begleitet, der noch immer eine beeindruckende Erscheinung war, obwohl er ihr gerade bis zur Schulter reichte. Er war fast siebzig, aber er weigerte sich, Themen wie Alter oder Geburtstage auch nur zu erwähnen. Seine Herzprobleme waren nicht wieder aufgetaucht, trotzdem warnte Fritzi ihn hin und wieder vor Überanstrengung.
    Polo hatte Freunde im Schneidergewerbe, so daß Hobarts Abendanzug perfekt saß und seine O-Beine und seinen Bauch, der in letzter Zeit immer mehr der Spitze eines Zeppelins glich, kaschierte, so gut es ging. Der alte Schauspieler hatte sich schon vor langem von seinem schulterlangen Haar a la Oscar Wilde getrennt, und mit den Jahren waren ihm um den Scheitel herum die Haare ausgegangen. Er bestand jedoch darauf, die Blöße mit einer lächerlichen, kastanienbraun glänzenden Perücke zu bedecken, die immer ein wenig schief saß und mal nach steuerbord, mal nach backbord verrutschte. Bei frischem Wind neigte sie dazu, sich nach achtern zu bewegen.
    Als Fritzi das Theater betrat, wäre sie fast mit Loretta Gash zusammengestoßen. Das rote Seidenkleid der Reporterin und ihr Turban schimmerten im Schein der elektrischen Lampen. Der Blick, den sie Fritzi zuwarf, war feindselig, die Abruptheit, mit der sie sich abwandte, ein vorsätzlicher Affront - vorausgesetzt, Fritzi wäre in der Stimmung gewesen, sich brüskieren zu lassen.
    Ein komplettes

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