Fremde Federn
Brust. Allerdings hatte Roger eine Diät dringend nötig. Sein Bauch hing deutlich nach unten.
Roger mochte Blickkontakt. Er blinzelte Fritzi aus seinen gelbbraunen Augen an, rieb sich an ihrer Brust und riß die gewaltigen Kiefer zu einem Gähnen auf. Danach legte er sich in der Regel zu einem Nickerchen nieder.
Eddie kam in den Käfig gerannt, der auf der Außenbühne aufgebaut war. Die Hälfte der Gitterstäbe war aus Gummi. Fritzi legte die Peitsche zur Bändigung des Löwen zur Seite und wischte sich mit dem Saum ihres gestreiften Umhangs den Schweiß von Gesicht und Hals. »Herr im Himmel, in dem Kostüm wird einem ganz schön heiß.« Zu dem Umhang trug sie Hosen, riesige Schuhe, eine schreckliche Perücke und passende Schminke: gigantische Lippen, einen roten Ball auf der Nasenspitze, eine Träne unter dem linken Auge.
»Kann ich mir vorstellen«, äußerte Eddie mitfühlend. »Die Aufnahme sah prima aus, aber könnten wir vielleicht noch eine machen, nur zur Sicherheit?«
»Ach, Eddie!« Als professionelle Schauspielerin beklagte sie sich jedoch nicht weiter. »Ob Roger noch einmal mitmacht?«
»Sein Besitzer behauptet, das Betäubungsmittel wirkt noch eine
Stunde.«
»Sein Wort in Gottes Ohr.«
Roger zuckte mit dem gelbbraunen Schwanz und stieß ein unfreundliches Brummen aus. Fritzi folgte Eddie aus dem Käfig und verließ den Drehort. Hinter der Kamera, die so angebracht war, daß man zwischen den Gitterstäben hindurch filmen konnte, schwatzte Jock mit dem Besitzer von Roger. Weiter hinten stand Al Kelly und beobachtete die Szene mit seinem üblichen Stirnrunzeln des Mißfallens.
Fritzi ließ sich in einen Stuhl unter einem Sonnenschirm fallen und nahm dankend ein Glas Limonade entgegen. Jock Ferguson trug nur ein Unterhemd, er erkundigte sich bei Rogers Besitzer: »Wie kriegen Sie ihn eigentlich dazu, sein Maul so weit aufzureißen?«
»Löwen sind klug. Sie lassen sich gut dressieren. Roger weiß, daß er nach Hause zu seiner Frau darf, sobald wir fertig sind. Afrikanische Löwen treiben sich nicht herum. Sie nehmen sich eine Partnerin fürs ganze Leben. Aber wenn ich Ihnen noch mehr erzähle, schieben Sie bald an meiner Stelle die fünfunddreißig Mäuse pro Tag ein.« Jock lachte.
Roger richtete sich auf. Er gab ein liebeskrankes Gurgeln von sich und begann auf und ab zu gehen. Ein Filmassistent befestigte rasch eine Kette an der Käfigtür - was nicht viel nützen würde, sollte Roger die Gummistäbe entdecken. Rogers Besitzer griff durch das Gitter und fuhr dem Tier durch die Mähne, wobei er leise auf ihn einredete. Roger schüttelte den Kopf, entblößte seine wenigen verbliebenen Zähne, ließ sich auf den Boden plumpsen und legte sich auf die Seite. Fritzi fand, daß er verstimmt aussah. Stundenlang in der heißen Sonne zu drehen, das war für keinen Schauspieler besonders angenehm, weder für zwei- noch für vierbeinige.
Der Schatten eines Mannes näherte sich. Al Kelly trat unter den Schirm.
»Würde Sie gern in meinem Büro sprechen, Fritzi.«
Eddie mischte sich ein. »Boß, wir müssen die Szene in den Kasten kriegen, bevor Roger ungemütlich wird.«
»Die letzte Aufnahme schien mir in Ordnung. Ich möchte nicht, daß wir das Geld zum Fenster rauswerfen.«
Mit einer Kopfbewegung forderte Kelly Fritzi auf mitzukommen.
Das Gehen in Schuhen, die von der Ferse bis zur Spitze gute sechzig Zentimeter maßen, war nicht einfach. In Eddies unglaubwürdigem Drehbuch sprang die wilde Nell für den weiblichen Zirkusclown ein, weil die mit dem Luftakrobaten durchgebrannt war. Nell zähmte einen Löwen, der von einem Fiesling mißhandelt worden war, verhinderte eine Feuersbrunst, bewahrte den Zirkus vor dem Bankrott und rettete wieder einmal, trotz typischer Mißgeschicke mit Eimern, Schläuchen, Trampolinen und Zeltseilen, alles und jeden, während sie selbst wie immer leer ausging. Nells heimliche Liebe galt dem starken August, der jedoch die Kassendame bevorzugte, zufällig die Tochter des Zirkusbesitzers. In der letzten Szene wurde Nell langsam ausgeblendet, während sie den Arm um Roger legte.
In seinem Büro fiel Kelly mit der Tür ins Haus. »Fritzi, wir bezahlen Sie, damit Sie für das Studio arbeiten. Wie mir zu Ohren kam, hatten Sie, als ich in Yosemite war, einen Auftritt in der Stadt.«
»Ich bin beim Bündnis für Verteidigungsbereitschaft mit marschiert, wenn Sie das meinen.«
»Und haben eine große Rede gehalten, die im ganzen Land übertragen wurde. Ich habe den
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