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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihn und verschwand auf Nimmerwiedersehen, bevor die ganze Geschichte herauskam.«
    »Was meinen Sie mit >die ganze Geschichte    Trigg lehnte sich zurück und umschloß mit beiden Händen den Pfeifenkopf. »Es stellte sich heraus, daß Loy Mercer erschoß, weil er, äh, Loys Schwester belästigt hatte. Nachdem Loy geflüchtet war, meldeten sich noch andere Frauen. Zuerst eine junge Frau in Lariat, im Parmer County. Dann eine aus Castro County, die Witwe eines Pfarrers. Frauen von sechzig Jahren, können Sie sich das vorstellen? Der Himmel weiß, wie viele geschwiegen haben. Der Mann war ein Tier. Nicht würdig, das Abzeichen der Ranger zu tragen. Endete damit, daß die Mordanklage sozusagen fallengelassen wurde. Loy hat das bloß nie erfahren.«
    Welch eine Ironie des Schicksals! Als B. B. ihn für eine gute Rolle wollte, befürchtete Loy, in seiner Heimat erkannt und eingesperrt zu werden und damit nicht mehr für Clara sorgen zu können. Armer, geliebter Mann! Hätte er eingewilligt, wäre er heute vielleicht ein Filmstar. Auf jeden Fall war er ein freier Mann, egal, wo er sich aufhielt. Wahrscheinlich würde er es nie erfahren.
84. IN DER HITZE DES GEFECHTS
    Mitten in einem glühendheißen Sommer, in dem die Zahl der leidenschaftlichen Kriegsbefürworter ständig wuchs, fand sich Joe Crown mehr und mehr in die Enge getrieben.
    Das Klima für Deutschamerikaner wurde zunehmend rauher und feindlicher. Die Karikaturen in den Leitartikeln stellten alle Deutschen als »grausame wilde Tiere« und »verlogene Hunnen« dar. Die Zeitungen brachten Schauergeschichten über Spionageringe, die heimlich von »Halbamerikanern« finanziert wurden. Joe mußte die traurige Wahrheit erleben, daß man als amerikanischer Bürger deutscher Abstammung ein Ausgestoßener war.
    Obwohl er Ilsa gegenüber kein Wort erwähnte, peinigte ihn die Sorge um Carl, der im fernen Frankreich in einem windigen Flugzeug sein Leben aufs Spiel setzte. Carl schrieb nie, so daß er und Ilsa nicht wußten, wie es ihm ging, was die Angst noch schlimmer machte.
    Körperliche Gebrechen setzten Joe Crown zu. Sein Augenlicht wurde immer schlechter. Ein Sturz auf dem Eis im späten Winter hatte die arthritischen Schmerzen in seiner Hüfte verschlimmert. Er ging gebeugt, konnte die Schultern nicht mehr gestrafft halten, wie er es so viele Jahre lang getan hatte, um seinen Stolz zu demonstrieren, Offizier der Union und später, im Jahr 1898, General der Freiwilligenarmee gewesen zu sein. Seine Haltung war nicht mehr aufrecht und militärisch, er war alt und krumm.
    Seit seinem dreiundsiebzigsten Geburtstag am einunddreißigsten März, so kam es ihm vor, schien sich die Lage drastisch zu verschlechtern. Er hatte seinen Geburtstag allein mit Ilsa im Speisesaal des Union League Club gefeiert. Das Getuschel und die vereinzelten bösen Blicke an jenem Abend waren ihm nicht entgangen. Nun, was konnte man auch erwarten, wenn selbst sein Freund Roosevelt »Halbamerikaner« in seinen Reden denunzierte.
    An einem Tag mitten in der größten Julihitze war sein Neffe Paul mit dem transkontinentalen Zug angekommen und wollte ihm einen seiner Filme zeigen.
    »Warum soll ich meine Zeit vergeuden?« sagte der General, nachdem Ilsa sich zurückgezogen hatte. Er saß mit seinem Neffen bei Bier und Zigarren in seinem stickigen Arbeitszimmer im ersten Stock des Hauses. Heftige Windböen rüttelten als Vorboten eines Sturms, der von den weiten Ebenen heranbrauste, an Türen und Fenstern. Pauls Zug hatte sich schon durch Wolkenbrüche und Hagelschauer gequält.
    »Warum soll ich mir die Stimmung verderben und über eine Stunde lang widerwärtige Dinge ansehen, kannst du mir das verraten?«
    »Weil diese Bilder die Wahrheit über das berichten, was vorgeht.«
    Joe Crown war müde und geplagt von Schmerzen aller Art, geplagt auch von Prohibitionisten, Pseudopatrioten und treulosen Kindern. Am liebsten hätte er seinem Neffen eine grobe Abfuhr erteilt. Statt dessen trank er sein Bier aus. Paul, den er wie einen eigenen Sohn liebte, sah ihn erwartungsvoll an.
    »Warum liegt dir soviel daran?« fragte der General schließlich.
    »Weil ich deine Rechtschaffenheit respektiere, Onkel Joe. Ich weiß, daß du nicht versuchen wirst, die Wahrheit zu verleugnen, wenn du sie gesehen hast. Zu dieser Sorte Männer gehörst du nicht.«
    Der General kaute auf seiner Zigarre. »Du sagtest, deine letzte Station sei Los Angeles gewesen?«
    »Ja, ich war dort, als der Rest meiner Vortragsreihe abgeblasen

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