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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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beißt nicht.«
    Fritzi rieb weiterhin kräftig an dem Klecks, aber ihre Bemühungen hinterließen nur einen noch größeren nassen Fleck, in dessen Mitte ein schwarzes Auge prangte. »So ein Pech, das tut mir leid«, sagte Manchester, als sie niedergeschlagen die Bühne betrat. »Lassen Sie sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen, mein Mädchen.«
    Das hatte sie bereits, obwohl Fritzi versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Miss Vole kam herbeigetrippelt. »Was werden Sie bloß machen, wenn der Fleck nicht rausgeht?«
    Fritzi schenkte ihr ein zuckersüßes Lächeln. »Ach, wahrscheinlich das ganze Kostüm in die Aschentonne werfen, ich habe so viele.« Sie verspürte den unwiderstehlichen Drang, etwas kaputtzumachen, zu brechen. Beispielsweise Miss Voles Hals. Miss Murphy, die in der ersten Reihe saß, lächelte Fritzi mitfühlend zu.
    Der Pförtner erschien zwischen den staubigen vorderen Kulissen. »Sir? Mrs. Van Sant ist am Apparat. Ihr Zimmer im Astor gefällt ihr nicht.«
    »Um Himmels willen - sie wollte doch dort wohnen.«
    »Sie sagt, das Zimmer sei kleiner als ein Klo. Wie kann das sein?«
    »Die Frage kann ich in Gegenwart von Damen nicht beantworten.«
    »Nun, sie will mit Ihnen sprechen.«
    »Unmöglich. Sagen Sie ihr, daß sie mich später am Nachmittag im Players Club anrufen soll.«
    »Das wird ihr nicht behagen«, murmelte der alte Mann, als er zum Telefon zurückschlurfte.
    Manchester gab den anderen drei Schauspielerinnen ebenfalls ein Blatt Papier. Er deutete auf das Parkett und sagte zu Fritzi: »Sie warten bitte dort unten.«
    Die ersten drei Aspirantinnen bekamen Sätze aus der dritten Szene des ersten Aktes - in der die Hexen auf der verdorrten Heide Macbeth begegnen. Manchester las sowohl den Text der Hauptfigur als auch den von Banquo, beide mit verschiedenen Stimmen. Sein Vor-trag war wirklich bemerkenswert. Die gelassene, selbstsichere Miss Vole stand ihm mit ihrer unvergeßlich rauchigen Stimme kaum nach.
    Manchester schickte Miss Whittemeyer nach unten und bat Fritzi auf die Bühne. Die korpulente Dame gab ihr einen freundschaftlichen Klaps, als sie auf der Treppe aneinander vorbeigingen, aber Fritzi wußte nicht so recht, sollte sie ihr ins rechte oder linke Auge sehen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so nervös gewesen war.
    Manchester gab ihr ein Blatt. »Zweite Hexe.«
    Sie lasen die Szene, dann lasen sie ein zweites Mal mit Fritzi als erster Hexe, Miss Murphy als zweiter und Miss Vole als dritter. Miss Vole war so raffiniert, sich ein paar Schritte weiter hinten auf der Bühne hinzustellen, wodurch die anderen beiden Schauspielerinnen gezwungen waren, eine unbequeme Haltung einzunehmen. Manchester, der direkt vor ihnen stand, bemerkte es, sagte aber nichts. Dieses unfaire Verhalten spornte Fritzi an, mehr Leidenschaft in ihren Vortrag zu legen.
    Nach zehn Minuten brach Manchester das Lesen ab und reichte ihnen neue Blätter.
    »Jetzt kommt etwas vollkommen anderes. Das ist der fünfte Akt. Ich möchte, daß jede von Ihnen Lady Macbeth liest, und zwar an der Stelle, wo der Arzt ihren Irrsinn diagnostiziert. Miss Murphy? Wären Sie so freundlich? Sie beide nehmen bitte einstweilen Platz.«
    Wieder wurde Fritzi auf die Folter gespannt, einen Augenblick war ihr heiß, dann wieder eiskalt. Lady Macbeth hatte sie noch nie gespielt. Sie kannte die Rolle, aber nicht gut.
    Miss Murphy las ganz passabel, ebenso Miss Whittemeyer. Manchester las den Text der Kammerfrau und des Arztes.
    »Miss Crown, bitte.«
    Sie wäre beinahe gestolpert, als sie die Treppe hinaufstieg. Im Zuschauerraum hinter ihr lachte jemand. Hätte sie Macbeth’ Dolch gehabt, hätte sie ihn zu gebrauchen gewußt.
    In der Rolle des Arztes las Manchester jetzt: »Still! Sie spricht. Ich schreib’ mir auf, was von ihr kommt, daß mir’s nur besser im Gedächtnis bleibt.«
    »Weg da, verdammter Fleck«, las Fritzi, »weg, sag ich! - Eins; zwei; ja dann ...«
    »Verzeihen Sie bitte, wie war das?« Die unverkennbare Stimme kam aus der Dunkelheit. »Ich störe wirklich nur ungern, aber ich sitze hier hinten und kann Miss - wie war doch gleich der Name -furchtbar schlecht verstehen. Dabei ist sie wirklich ganz ausgezeichnet.«
    »Vielen Dank, Miss Vole«, antwortete Manchester. »Wir wissen Ihr konstruktives Interesse zu würdigen, aber wenn Sie bitte nicht mehr unterbrechen wollten, die Künstler leiden darunter.« Er flüsterte: »Können Sie ein bißchen lauter lesen?«
    Vollkommen durcheinander

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