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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Mitbewerberinnen Wohlwollen entgegenzubringen! Bitte treten Sie in der Reihenfolge, wie ich Ihre Namen vorlese, nacheinander auf die Bühne.« Er blickte auf die Namenlisten. »Miss Dorcas, Geraldine.«
    Damit begann für Fritzi das qualvolle Warten, bis Schauspielerinnen, die nach Aussehen und Fähigkeiten gar nicht verschiedener hätten sein können, ihre Interpretationen ablieferten, die von bedauernswert schlecht über annehmbar bis gefährlich gut reichten. Manchester teilte jeder Kandidatin ihre Rolle zu. Als Fritzi zehn Minuten nach fünf an der Reihe war, reichte er ihr ein Blatt und sagte: »Das ist der vierte Akt. Wenn Sie bitte so freundlich sein wollen, bei Zeile zweiundzwanzig zu beginnen. Ich gebe das Stichwort.«
    Seine herrliche Stimme füllte das Theater. »Brauche, brauche Müh’ zur Jauche, Feuer, fauch, und Kessel, rauche.«
    »Echsenschuppen, Werwolfzahn, Hexenmumie, Blut und Tran«, las Fritzi. »Nun noch Tigereingeweide .« Sie zögerte; jedesmal stolperte sie über dieses Wort.
    »Weiter«, rief Manchester aus. »Nur Mut! Bitte fahren Sie fort.«
    »Danke - hm - Tigereingeweide, daß der Brei sich nicht mehr scheide.«
    »Ausgezeichnet, bitte nehmen Sie wieder Platz. Wer ist die nächste? Miss Levi.«
    Um Viertel vor sechs waren alle durch. Manchester studierte die Bemerkungen, die er mit Bleistift auf ein separates Blatt gekritzelt hatte. »Erlauben Sie mir, Ihnen für Ihre Bewerbung und Ihr Kommen meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Ich bedauere, daß ich Sie nicht alle brauchen kann. Würden die folgenden vier Damen so freundlich sein, morgen früh um zehn Uhr pünktlich hier zu erscheinen? Sally Murphy, Cynthia Vole, Elspeth Ida Wittemeyer und Frederica Crown.«
    Fritzi stieß einen leisen Schrei aus, bevor sie bis in die Haarwurzeln errötete. Die nicht genannten Schauspielerinnen fanden sich wütend oder müde ab, packten ihre Sachen zusammen und verließen das Theater. Sie hörte eine von ihnen zischen:
    »Der Teufel soll ihn holen! Ich hab’ gehört, daß er ohnehin immer knapp bei Kasse ist.«
    Vier Schauspielerinnen für drei Rollen. Miss Murphy war eine junge Frau mit ebenmäßigen Gesichtszügen und hinreißend blauen
    Augen. Miss Whittemeyer war älter; sie hatte wirres graues Haar und ein Glasauge. Sie bekam die Rolle mit Sicherheit.
    Die dritte Rivalin, Miss Cynthia Vole, schien die gefährlichste Konkurrentin zu sein. Sie besaß eine dunkle, fast dämonische Schönheit, einen Busen wie das Matterhorn und eine rauchige Stimme, die Fritzi, ehrlich gesagt, fast ebenso faszinierte wie die von Manchester. Mit einem eiskalten Lächeln schritt Miss Vole den Gang entlang. Als sie an Fritzi vorbeikam, bedachte sie sie mit einem kurzen Blick. Dieser Blick besagte, daß sie, wenn nötig, auch vor einem Mord nicht zurückschrecken würde, um eine Rolle zu bekommen.
    Ihr Frühstück bestand aus einem Glas Wasser und zwei altbackenen Crackers. Trotzdem hatte sie Angst, selbst das wenige noch zu erbrechen.
    Mit einer heftigen Bewegung fuhr sie sich mit dem Kamm durch das krause Haar, dann schlüpfte sie in ihr bestes Kostüm aus dunkelroter Seide. Als Fritzi das Novelty betrat, war Miss Vole gerade dabei, sich einzutragen.
    »Ah, guten Morgen, meine Liebe. Sie sehen wirklich ganz reizend aus. Wollen wir einander nicht Glück wünschen?«
    Während dieses scheinheilige Bekenntnis des Wohlwollens über ihre Lippen kam, fuhr Miss Vole fort, die Spitze der Feder ins das offene Tintenfäßchen einzutauchen. Irgendwie kippte das Fäßchen dabei um. Sie rief: »Oh, mein Gott«, während das Fäßchen auch schon zur Seite rollte und die Tinte auf Fritzis Rock spritzte.
    »Das ist entsetzlich! Es tut mir ja so leid. Was können wir bloß tun?«
    Sprachlos vor Entsetzen starrte Fritzi auf den Tintenklecks auf ihrem Bahnenrock.
    Der alte Pförtner sagte: »Versuchen Sie’s mit Wasser, bevor die Tinte trocknet. Kommen Sie, wir haben hier eine Garderobe mit fließend Warm- und Kaltwasser.«
    »Ach, meine Liebe, es tut mir ja so schrecklich leid«, wiederholte Miss Vole, als sie sich trennten. Miss Vole hatte die Regeln für ihren Wettstreit festgelegt: Es gab keine.
    In der schäbigen Garderobe prüfte der Pförtner die Funktion der Wasserhähne, dann gab er ihr ein altes Handtuch. »Verdammt«,
    jammerte Fritzi und rieb an dem Klecks. »Der Rock ist hin.«
    »Ich werde Manchester sagen, daß Sie ein paar Minuten später kommen.«
    »Wird er böse sein?«
    »Nein. Er bellt zwar kräftig, aber er

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