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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einem einfachen Schreibtisch nur noch ein paar Gebrauchsmöbel. Ford, der sie kommen sah, sprang auf und eilte mit energischen Schritten auf sie zu. Alle Männer im Raum arbeiteten hier in Hemden, nur Ford trug Weste und Rock.
    »Sie müssen Paul Crown sein! Henry Ford. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.« Sie schüttelten einander die Hand. »Ich kümmere mich um ihn, Jim.«
    »Gut. Ich habe zu arbeiten.« Couzens machte eine Kehrtwende wie ein Soldat und marschierte ohne Abschied davon.
    »Ich habe ein Modell T im Aufzug gesehen, Mr. Ford. Wie kommt der Wagen bis jetzt an?« erkundigte sich Paul.
    »Nennen Sie mich Henry. Oder Hank. Die Akzeptanz könnte gar nicht besser sein. Vor einer Woche haben wir unsere erste Anzeige aufgegeben. Daraufhin gingen mit der Samstagspost mehr als tausend Anfragen ein. Die ganze Woche über trafen hier Umschläge mit Bargeld ein. Es ist der Preis, verstehen Sie? Unser Tourenwagen Modell F kostete tausend Dollar. Das Modell K, ein Sechszylinder mit Drehmomentantrieb, ganze zweitausendachthundert. Diese Wagen habe ich für die Anteilseigner gebaut, weil sie mit der Faust auf dem Tisch darauf bestanden haben. Aber das Modell T baue ich für mich selbst. Der Preis ist niedrig, aber wir werden ihn noch weiter senken. Kom-men Sie, ich zeige Ihnen alles.«
    »Wenn es nicht zuviel Mühe macht.« Die Bemerkung klang unerwartet schroff.
    »Zuviel Mühe, unser bestes Stück vorzuführen? Das kann nur ein Scherz sein.«
    Ford legte den Arm um Pauls Schulter, als wären sie alte Freunde. Hätte der Mann einen Overall und derbe Schuhe getragen, man hätte ihn ohne weiteres für einen Bauern halten können. Aber er hatte Charme. Und der wirkte auf Paul wie ein Spezialmittel aus der Apotheke. Sein Unmut zerplatzte wie eine Seifenblase und war vergessen.
    Der dritte Stock war mehrfach unterteilt; in einem Teil wurden Holzmodelle angefertigt, in einem anderen lagerten Fahrgestelle und Achsen. Der restliche Platz diente der Endfertigung. Fahrgestelle mit Rädern und Motoren standen sich in zwei Reihen gegenüber. Die Reihen erstreckten sich entlang des breiten Mittelgangs bis nach hinten. Die Wagen, in deren Nähe Paul und Ford standen, waren noch ziemlich unfertig.
    In der Montagehalle herrschte höllischer Lärm, alle wuselten wie Arbeitsbienen aufgeregt durcheinander. Mehrere Gruppen von Männern schoben Rollwagen durch den Mittelgang, blieben stehen, um eine Stoßstange oder ein Armaturenbrett aus dem Wagen zu nehmen und zu montieren, bevor sie den Rollwagen zum nächsten Auto schoben. Am vorderen Ende der Reihe fuhr ein fertiges Modell T in den Aufzug. Ford versorgte Paul mit den nötigen Informationen.
    »Auf dem Zeichenbrett entsteht gerade eine neue Fabrik. Über zweihunderttausend Quadratmeter. Alles auf einer Ebene. Viel mehr Tageslicht in den Arbeitsbereichen. Der Architekt heißt Kahn. Im allgemeinen mag ich Juden nicht, aber Kahn ist in Ordnung. Sie sind nicht zufällig Jude, oder? Dem Aussehen nach könnten Sie einer sein.«
    »Ich komme aus Deutschland, aber ich bin kein Jude, sofern das von Bedeutung ist.«
    Ford schenkte dem Sarkasmus keine Beachtung oder verstand ihn schlichtweg nicht. »In der neuen Fabrik werden wir die Teile auf andere Weise zum Auto schaffen als bisher, es ist ein neues System. Mit dem bisherigen können wir nicht genügend Autos herstellen. Ich habe Jahre gebraucht, um zu begreifen, daß die Produktion der Schlüssel zu diesem Spiel ist. Will man viele Autos bauen, braucht man andere Mittel, als wenn man einen einzigen Prototyp baut. Uns geht es um Masse. Meine Philosophie lautet: Baue viele Autos für viele Menschen, und du verdienst viel Geld. Manche Leute in der Stadt halten mich für verrückt. Aber ich werd’s ihnen zeigen.«
    Sie schlenderten an weiteren Gruppen von Arbeitern vorbei, die messinggerahmte Windschutzscheiben, Scheinwerfer und Seitenlichter montierten. Paul bemerkte, daß nirgendwo Abfall herumlag, der Fußboden des Mittelgangs lasiert und die Fensterscheiben sauber waren. »Kann Schmutz nicht ertragen«, sagte Ford. »Hab’ ich von meiner Mutter geerbt. Lassen Sie uns runtergehen, unten steht ein Auto, das Sie aufnehmen können.«
    Paul holte seine Kameratasche, und gemeinsam verließen sie das Gebäude durch die Hintertür. Er stellte seine Kamera auf einer großen freien Fläche auf, während Ford erklärend auf das Kraftwerk und die Lackierhalle deutete. Aus dem dritten Gebäude, das kaum mehr als eine Hütte war, drang unregelmäßiges

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