Fremde Federn
auf der Bühne sollen angeblich bösen Zauber bannen. Allmählich fange ich auch an zu glauben, daß wir verhext sind.«
Der Mittwoch bescherte ihnen Mr. Charles Seldon, den neuen Rosse. Ihr Banquo, mit bürgerlichem Namen Bruno Gertz, erschien am Freitag. Er war ein enttäuschendes Häufchen von einem Mann mit einer dünnen Stimme. Es nützte nichts, daß er die Rolle perfekt beherrschte, sein Aussehen war einfach deprimierend.
Auch in der folgenden Woche zeichnete sich keine Besserung der Lage ab. Zwischen Ida Whittemeyer, die eine etwas ältere, als vorgeschrieben, Lady Macduff spielte, und ihrem Sohn, dargestellt von einem unangenehmen Knaben namens Launcelot Buford, war es zu unerträglichen Spannungen gekommen. Während der Probe hatte er Ida beschuldigt, ihn nicht zur Geltung kommen zu lassen. Als sie lachte, hatte er ihr eins gegen das Schienbein versetzt. Sie holte zu einer Backpfeife aus. Manchester war verzweifelt und strich die Probe der Szene.
Als sie am nächsten Tag erneut geprobt wurde, wartete Miss Whit-temeyer mit einer neuen Taktik auf. Sie nahm den Jungen an der Hand, um Einigkeit zu demonstrieren. Launcelot sah nach unten und stieß einen gellenden Schrei aus. Eine große braune Kröte sprang auf und suchte aufgeregt nach einem Versteck.
Die Mörder krümmten sich vor Lachen. Der Junge war vollkommen hysterisch. Mrs. Buford kam wutentbrannt auf die Bühne zugeschritten, um Ida zur Rede zu stellen. Sie drohte ihr mit ihrem Schirm. Es dauerte eine Stunde, bis Manchester die beiden so weit hatte, daß sie bereit waren, über Waffenruhe zu verhandeln.
Wie er es schaffte, inmitten dieses Tumults seine eigene Rolle einzustudieren, war Fritzi schleierhaft. Sie tippte auf Erfahrung, gepaart mit Verzweiflung. Voller Bewunderung hörte sie sich von der Kulisse aus seine herrliche Rede im fünften Akt an. »Und morgen und dann morgen und dann morgen, so kriecht’s im Schleicheschritt ... Aus, aus, klein Kerzlein! ... Ein armer Komödiant, der seine Zeit abstolzt und abschnauft auf der Bühne . Eine Mär nie mehr gehört wird dann, aus einem Tölpelmund, voll von Getön und Toben, und bedeutet nichts.«
Die Rolle des Macbeth’ war schwierig und zudem körperlich anstrengend. Manchester spielte nicht nur brillant, sondern behauptete seine Stellung auch in den Duellen. Wenn er spielte, vergaß man sein Alter, seinen Wanst, seine O-Beine. Er war der zum Untergang verurteilte König. Als er starb, kroch Fritzi eine Gänsehaut über den Rücken.
»So Dank, Dank all’ und jedem heute schon«, sprach Daniel Jervis am Schluß. Malcolms allerletzte Worte wurden jedoch nicht geprobt; einem weiteren Aberglauben zufolge wurden die dunklen Mächte dadurch verärgert, daß die Menschen sich einbildeten, perfekt zu sein, weshalb beschlossen wurde, den letzten Satz bis zur Premiere nicht auszusprechen.
Der in seinem Kostüm arg schwitzende Manchester rappelte sich hoch. Fritzi und ihre Kollegen brachen in spontanen Beifall aus.
Am Montag der letzten Probenwoche meldeten sich vier Bühnenarbeiter zur Arbeit. Bis auf den einen, der sich als Mutt vorstellte, handelte es sich um unauffällige Burschen. Ob Mutt sein Vor- oder Nachname war, wußte keiner zu sagen.
Mutt neigte zu einem wiegenden Gang, außerdem hatte er die Angewohnheit, sich als Chef seiner drei Kollegen aufzuspielen. Befehle von Simkins und Manchester nahm er nur mit vielen Widerworten und gemurmelten Kommentaren entgegen. Bei den Damen des Ensembles erregte Mutts hübsches Gesicht jedoch einiges Aufsehen. Nach Beendigung der Montagsprobe versuchte er mit Sally Murphy anzubandeln. Sie verließen das Theater gemeinsam.
Am nächsten Tag erschien Sally mit geröteten Wangen und verschlafenem Blick in der Garderobe. Mutt erwähnte sie mit keinem Wort. Der erwies sich als sehr unbeständig, denn die Mittagspause verbrachte er in der hintersten Reihe Stirn an Stirn mit Launcelot Bufords Mutter. Sally Murphy überquerte mehrmals die Bühne und spähte nach hinten. An diesem Abend verließ Mutt das Theater mit Mrs. Buford.
Am Mittwoch stieg die Temperatur. Die Probe wurde zu einer schweißtreibenden Quälerei. Manchester beschwerte sich über das langsame Wegschaffen des Bankettmobiliars im dritten Akt. Mutt lud die Schuld auf einen der anderen Bühnenarbeiter ab, der ihn daraufhin zum Teufel wünschte. Mutt packte den Mann, hob ihn hoch, schleuderte ihn zu Boden und trat mit den Füßen auf ihn ein, bis sich Simkins dazwischenwarf. »So etwas dulden wir
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