Fremde Gäste
nach Te Rimu ins Kino und
zum einen oder anderen Ball. Sie besuchten alle möglichen Liebhaberaufführungen
unter dem Vorwand, daß sie ihr eigenes lächerliches Theaterstück sehr ernst
nähmen. Das war also trotz Regen und Kälte eine fröhliche Zeit.
Bis eines Tages das Unheil
heraufzog. Ich wollte meinen Geldbeutel eines Morgens holen, den ich auf dem
Tisch im Eßzimmer hatte liegenlassen, und stellte fest, daß zwei
Zehndollarnoten fehlten. Ich suchte wie wild und redete mir ein, daß ich die
Scheine verlegt hätte, im Innersten aber wußte ich genau, daß sie am
Nachmittag, als ich Geld für eine wohltätige Sammlung herausnahm, noch in der
Börse gewesen waren. Am Abend zuvor war eine Probe des Theaterstückes mit allen
jungen Leuten bei uns gewesen.
Ich schob diese Gedanken
energisch von mir, aber kurz danach ertappte ich mich, wie ich im Geist die
einzelnen Leute durchging und mir überlegte, wo ich sie gesehen hatte. Die
Antwort war einfach: Es waren eben alle überall gewesen. Auch Larry und Sam
hatten hereingeschaut. Und Anne war gekommen, um zu sagen, daß die nächste
Probe nicht in ihrem, sondern im Haus ihres Vaters sein solle. Ebenso war Peter
erschienen, um bei der ausgelassenen Gesellschaft Regie zu führen. Kurzum — alle
waren bei uns gewesen, und alle hatten sich überall aufgehalten.
Bei diesem Punkt beschloß ich,
überhaupt nicht mehr an die Angelegenheit zu denken. Es mußte ja eine
simple Erklärung geben. Vielleicht hatte Paul Geld wechseln wollen. Aber mein
lieber Mann hatte eine unüberwindliche Abneigung, eine Damenhandtasche zu
öffnen, und sei es auch die meine. Wäre es trotzdem notwendig gewesen, wäre er
sofort zu mir gekommen, um sich überflüssigerweise zu entschuldigen. Die
Hoffnung, daß so etwas geschehen war, war also Essig.
Das einzige, was ich tun
konnte, war, alles zu vergessen und nicht einmal Paul etwas davon zu erzählen.
Ich mußte einfach so tun, als ob ich in einem seltsamen Versehen das Geld für
mich verbraucht hätte.
Der Entschluß war leicht
gefaßt, aber die Sache beunruhigte mich doch. Eine Woche später nach einer
weiteren Probe im Haus des Colonels tauchte das Rätsel wieder und noch viel
peinlicher auf. Da sagte nämlich Anne zu mir: »Susan, ich muß dir im Vertrauen
etwas erzählen. Bitte, sag es keinem, auch nicht Paul. Es ist etwas
Unangenehmes passiert. Meinem Vater ist am Wochenende eine ziemliche Menge Geld
abhanden gekommen; er weiß nicht genau, wieviel. Als er nach Hause gekommen
war, hatte er sich umgezogen, seine Taschen ausgeleert und alles auf den
Schreibtisch neben seiner Zimmertür gelegt. Er hatte in der Stadt einen Scheck
eingelöst, und es müssen etwa dreißig bis vierzig Dollar gewesen sein. Erst am
Sonntagmorgen fiel es ihm wieder ein. Er kam zu uns herüber und fragte mich, ob
ich mir das erklären könnte. Das konnte ich natürlich nicht. Ich fürchte, es
ist gestohlen worden — sicherlich von jemandem Fremden; aber es ist so fatal,
weil alle jungen Leute an dem Abend in seinem Haus waren .«
Mir wurde das Herz schwer. »Hat
er die Polizei benachrichtigt ?« fragte ich.
»Nein, das will er auch nicht.
Die gehen der Sache auf den Grund und fragen, wer im Haus war; und es waren ja
alle da und - und — Susan, wir können nicht zur
Polizei gehen, denn die denken natürlich, Tom sei’s gewesen. Aber er war’s
bestimmt nicht .«
Ich beschloß, Anne zu erzählen,
daß mir eine Woche zuvor gleichfalls Geld abhanden gekommen war und gerade in
der Zeit, wo sich die jungen Leute überall in unserem Haus aufhielten. David
hatte ich getroffen, als er nach einem Holzlöffel an Stelle eines Lorgnons
suchte, und Joe hatte ein Tablett aus Zinn genommen, das als silberner
Präsentierteller dienen sollte. Als ich Anne von alledem berichtete, wurde sie
sehr ernst und sagte; »Das bedeutet doch, daß ein Außenseiter nicht in Frage
kommt! Ach Gott, Susan, was sollen wir nur machen ?«
Wir kamen zu dem Entschluß, gar
nichts zu unternehmen. Wir wollten dem Colonel von meinem Verlust erzählen, im
übrigen niemanden einweihen, nicht einmal unsere Männer. Anne hatte mit
Widerstreben ihren Vater gebeten, Tim nichts zu sagen, und ich hatte es schon
bisher fertiggebracht, mein schlimmes Geheimnis vor Paul zu verbergen.
Wir überlegten, daß es ja auch
ein unglückliches Zusammentreffen sein konnte. Derselbe Mann konnte an beiden
Häusern vorbeigekommen sein; er hatte das große Durcheinander genutzt, war
eingedrungen und hatte alles
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