Fremde Männer küsst man nicht!
und verurteilt worden für ein Vergehen, von dem er nicht mal geahnt hatte, es begangen zu haben.
Andererseits … heute Morgen hatte er sich ihr gegenüber auch nicht anders verhalten, oder? Er wand sich innerlich bei der Erinnerung daran. War es wirklich noch keine vierundzwanzig Stunden her, dass sich herausgestellt hatte, Chris Jones war Christina Jones, und zwar eben jene appetitlich anzusehende Haremsdame aus der Grundschule, die versehentlich Feueralarm ausgelöst hatte? Seine neue Vorgesetzte, wenn man es genau nahm?
Er fing an zu essen und dachte nach. Bewundernswert, wie sie sich gegen ihn durchgesetzt hatte. Das schafften nicht viele Frauen. Christina Jones forderte ihn heraus, und er konnte nicht leugnen, dass ihn das faszinierte.
Ihm fiel ein, dass er sich nicht einmal für sein Zuspätkommen entschuldigt hatte. Hatte er überhaupt irgendetwas richtig gemacht, seit sie heute Morgen einander vorgestellt worden waren? Er würde sich morgen früh entschuldigen. Immerhin war bei dem Gespräch mit den Grays nichts Entscheidendes passiert. Mehr ein gegenseitiges Abtasten, wie entschlossen die jeweils andere Seite an das Diskriminierungsproblem heranging. Und ob es nicht doch möglich war, vielleicht eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.
Sein Handy klingelte. Er sah auf das Display. Die Nummer war ihm unbekannt.
„Bruce Lancaster.“
„Bob Orf, hier unten bei Cyntech. Wir haben eine Havarie, große Mengen von Chemikalien laufen aus. Unsere Notfallkräfte sind vor Ort, die Behörden sind informiert, Rettungswagen unterwegs. Wir werden sicherheitshalber im Umkreis von drei Meilen evakuieren müssen.“
„Ich sage nur kurz in der Kanzlei Bescheid, dann bin ich sofort unterwegs“, versprach Bruce und unterdrückte den Fluch, der ihm auf der Zunge lag. Auslaufende Chemikalien, die zum Herstellungsprozess benötigt wurden, waren der Albtraum eines jeden Produktionsbetriebes. Er wusste, dass Cyntech einen riesigen alten Tank auf ihrem Gelände stehen hatte. Wahrscheinlich war der irgendwo geplatzt.
Jedenfalls war Bruce als Anwalt der Firma verpflichtet, schnellstens vor Ort aufzutauchen, um die nun drohenden Schadenersatzklagen zu minimieren und ein womöglich sogar anstehendes Strafverfahren gegen die Verantwortlichen zu verhindern.
„Gott sei Dank“, sagte Bob Orf erleichtert. „Bloß gut, dass wir fast nur Felder und Weiden um uns herum haben. So sind nur wenige Leute betroffen.“
Bruce beendete das Gespräch und rief in der Kanzlei an. „Wahrscheinlich werde ich wieder für einige Wochen weg sein“, sagte er zu Reginald, nachdem er ihm die Situation bei Cyntech erklärt hatte. „Christina wird so lange mit Angela arbeiten, das wird kein Problem für sie. Sie war toll heute. Ich würde ihr gern Bescheid sagen, habe aber ihre Privatnummer nicht. Gibst du sie mir?“
Er zückte sein Notizbuch und den Stift, der dazugehörte. „Schieß los. Ach so, gib mir mal auch ihre Adresse. Vielleicht ist es besser, wenn ich auf dem Weg zu Cyntech einfach kurz bei ihr vorbeischaue.“
„Na, da wirst du heute Nacht wohl nicht viel zum Schlafen kommen“, bemerkte Reginald mitfühlend. „Maple Street 324, das ist draußen vor der Stadt.“
Also fünf Minuten mit dem Auto. Bruce klappte Notizbuch und Handy zu. Christina und er würden heute noch das für morgen geplante Gespräch führen, ob sie nun wollte oder nicht.
„Mom, warum hast du den Mann angeschrien?“
Christina rubbelte mit einem Handtuch die dunkelblonden Haare ihrer Tochter trocken. Bella war schon im Schlafanzug. „Wir haben uns nicht angeschrien.“
„Doch, habt ihr wohl.“ Bella schaute auf ihre Zehen herunter. „Du hast genauso geklungen wie damals, als du noch nicht wusstest, dass ich die teure Vase nicht mit Absicht kaputt gemacht hatte. Wütend.“
Christina hängte das Handtuch zum Trocknen weg und nahm einen Kamm. „Manchmal sind Erwachsene wütend aufeinander.“
„Ja, aber warum warst du wütend auf den Feuerwehrmann?“
„Er ist kein Feuerwehrmann.“ Christina hielt inne. Herrje, wie sollte sie das erklären? „Also, er ist nicht nur Feuerwehrmann. Er ist auch ein Rechtsanwalt, mit dem ich zusammenarbeite. Und dass ich wütend auf ihn war, hatte mit unserer Arbeit zu tun.“ Sie begann, Bellas Haare zu kämmen.
„Heißt das, dass du ihn verlassen wirst?“
Christina hielt inne. „Verlassen?“ Wo hatte sie das denn her?
Bella zog den Kopf beiseite und drehte sich zu ihrer Mutter um. „Na ja, du hast
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