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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Umweg. Die Enttäuschung schmerzte;
das bittere Lächeln erstarb, bevor es seine Lippen
erreichte.
    »Es wäre ungehörig, kein Interesse zu
zeigen.«
    »Sicher. Aber abgesehen davon: interessieren dich die
Spielzeuge tatsächlich?«
    »Ja, Kommandantin.«
    »Warum? Ist das Zeug in deinen Augen mehr als nur
Spielzeug?«
    Die Zielrichtung der Frage überraschte ihn. »Ja.
Manchmal schon. Manches von dem, was die Geds wissen, könnte
für uns nützlich sein.«
    »Ich glaube«, sagte Belasir schlitzohrig, »du
hättest selbst dann Interesse, wenn das Zeug völlig nutzlos
wäre. Du hast Interesse, weil du neugierig bist.«
    Dahar schwieg.
    »Nimm dich in acht, Kommandant. Deine Loyalität
gehört in erster Linie Jela – ob du aus Anla kommst oder
nicht.«
    In Dahar flackerte die Flamme des Zorns, bis er begriff, daß
diese halbherzige Kränkung Absicht war – eine Messerprobe,
um zu testen, wie gut die Narbe verheilt war – um
herauszufinden, wie sich die Doppelhelix auf seiner Schulter mit
seiner Loyalität zu Jela vertrug.
    »Meine Loyalität hat immer Jela gehört,
Kommandantin«, sagte Dahar förmlich und sah, wie Belasir
lächelte. Sie rieb sich die Augen.
    »Das wollte ich meinen, Dahar. Du kannst jetzt
gehen.«
    Dahar salutierte mit beiden Handgelenken. Im Korridor wartete noch
immer die Kriegerin. Sie salutierte respektvoll, doch ihm entging
weder der rasche, verstohlene Blick auf sein Emblem noch die
Verengung ihrer Mundpartie.
    Er verließ die Halle und huschte leise durch die Finsternis,
um sich noch einmal zu vergewissern, daß die Wachen auf ihrem
Posten waren.
    Auch als er mit dem Ergebnis seiner Inspektion zufrieden war,
suchte er noch nicht die Halle der Krieger auf. Er war noch nicht
müde. Unruhe befiel ihn. Er stand unschlüssig auf dem
Wroffpfad, ringsumher der schwere Duft von Dornbusch und
Schneeglöckchenbaum .
    ›Nachts‹ wurde die Kuppel über der Stadt nie ganz
dunkel. Es waren weder Monde noch Sterne zu sehen, und trotzdem
schimmerte der ›Himmel‹; zwischen den schwarzen Silhouetten
der Stämme schaukelten die grauen Schatten aus Laubwerk.
Richtige Dunkelheit gab es nur in den Quartieren.
    Unschlüssig wandte sich Dahar in Richtung der Halle, wo die
Huren einquartiert waren. Eine Hure mochte ihm zu einer kurzen
körperlichen Erleichterung verhelfen. Doch danach würde
sich die Unruhe wieder einstellen – und sie würde, wie die
Erfahrung lehrte, nur noch schlimmer sein. Ein Lächeln unter
leeren Augen, ein Gesicht, das die Ungeduld kaum verbergen konnte,
mit der sein Abgang erwartet wurde, ein dummes und schrilles Lachen
wie aus dem Mund dieser letzten Hure, einem ungeschickten
Püppchen, hübsch zwar, aber nicht anders als die anderen.
Er wollte keine Hure, nicht bevor sein Körper sein Recht
verlangte. Nein, diese Nacht wollte er keine Hure.
    Was wollte er? Seine Unruhe wuchs – jene ewige, ruhelose
Suche nach etwas Namenlosem, die sich tief aus seinem Innern
nährte, einem Quell, den weder Spott noch Verachtung zum
Versiegen brachten. Er wollte etwas, und wußte nicht was. Das
Mißtrauen, das ihm von seinen Kriegern und selbst von seiner
Kommandantin entgegenschlug, verblaßte neben dieser
bedrückenden Rastlosigkeit zu einem banalen Ärgernis. Bei
den Meistern der Doppelhelix war er der Erfüllung seiner
Bedürfnisse noch am nächsten gekommen; sie hatten ihn die
Heilkünste gelehrt und wie man die zweifelhaften Splitter des
Wissens drehte und wendete wie Kieselsteine in der Hand. Doch selbst
das hatte die Suche nach dem Namenlosen nur dürftig stillen
können. Es mußte noch mehr geben – irgendwo.
    Die Bewachung war lückenlos, aber nicht so lückenlos,
daß Dahar nicht durchschlüpfen konnte. Er ließ sich
zu Boden gleiten und schlich sich unbemerkt durch die Postenketten.
Er strebte zur Unterrichtshalle.

 
16
     
    Sie mißtraute der sanften Stille.
    Die Schläge an der Tür waren mit einemmal verstummt. Sie
lag auf den Kissen, die Hände neben sich zu Fäusten
geballt. SaSa hatte zugehört, wie sie immer wieder an ihre
Tür gepocht hatten, minutenlang, ohne Ende. Anfangs die
beharrlichen Hiebe. Eine Faust, beide Fäuste. Dann fordernder;
die Schläge waren durch die dicke Gedtür gedämpft
worden, aber immer noch deutlich voneinander zu trennen gewesen. Die
Schläge gingen in einen Kadermarsch über. Ein regelrechtes
Trommelspiel. Dann, als kein anderer Krieger kam, um zornig
Einlaß zu begehren, trat eine kurze Pause ein. Und dann ging es
los, mit Füßen und Fäusten.

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