Frettnapf: Roman
sollen, Königsquelle (Schnitzel), Pacific Times (Steak) oder München 72 (Schinkennudeln). Hondo ist verzweifelt, weil er mit der Kaschrut nicht zurechtkommt. Er ist mit den jüdischen Speisegesetzen regelrecht überfordert und weiß nie, wann er was essen darf, geschweige denn trinken. Da weder Aylin noch Malea auf mich den Eindruck machen, darauf besonderen Wert zu legen, rate ich ihm, vor allem nicht Schwein, Kamel oder Hase zu essen. An mehr kann ich mich nicht erinnern, verspreche aber, das noch mal genau nachzulesen und ihm zu erklären.
Als ich gerade von ihm erfahren möchte, warum es Aylin eigentlich so wichtig ist, dass er ein Mitglied ihrer Glaubensgemeinschaft wird, entdeckte ich Jessi in der Menschenmenge, die aus dem Kino strömt. Wir wohnen nicht weit von hier, und so ist es sehr gut nachvollziehbar, dass sie ins Kino geht, statt alleine zu Hause herumzusitzen. Da sie gerade nichts von mir hören oder sehen will, trete ich einen Schritt zurück und verberge mich hinter Hondo.
» Was ’n los?«
» Da vorne ist Jessi, ich–«
» Jessi! Hi! Hey! Jessi«, brüllt Hondo, bevor ich ihm sagen kann, dass ich nicht von ihr entdeckt werden will. Jessi sieht erst ihn, dann mich, stutzt kurz und kommt dann zu uns, wobei sie immer wieder über ihre Schulter zum Kinoausgang späht.
» Hi, was macht denn ihr hier?«
» Meine Freundin und sein Vater haben sich einen Film gegeben«, antwortet Hondo.
» Ach, dann war er das doch. Peinlich, ich hab meinen Fast-Schwiegervater nicht erkannt.«
Der fehlende Kuss zur Begrüßung und das » Fast« vor dem Schwiegervater brechen mir das Herz, denn sie besiegeln wohl unser Ende. Sie hat mit mir abgeschlossen. Doch nicht nur das. Als ein extrem gut, modisch und offensichtlich teuer gekleideter Mann das CinemaxX verlässt, winkt sie ihm zu. Er strahlt sie an und gesellt sich ebenfalls zu uns.
» Leo, das sind Hondo und Jens«, stellt Jessi ihren Begleiter vor.
» Hi«, ist alles, was von ihm kommt. Kein » Ach, du bist Jens«, » Oh, der Bräutigam« oder » Ich hoffe, es macht nichts, dass ich deine Verlobte ausgeführt habe«. Nein, er weiß vermutlich nicht mal, dass ich bis vor Kurzem der Mann in Jessis Leben gewesen bin. Meine Knie werden weich, und mir fehlen die Worte, weshalb ich Leo nur zunicke. Jessi hingegen scheint nicht mal wahrzunehmen, wie unangenehm der Augenblick gerade für mich ist.
» Sensationeller Film«, sagt sie. » Solltest du dir auch anschauen.«
Ich kann sie nicht mal ansehen, starre nur still vor mich hin auf Leos glänzende Schuhe. So bekomme ich nur über die zusätzlichen vier Füße mit, dass sich mein Vater und Aylin zu uns gestellt haben. Ich blicke dennoch nicht auf, sondern bleibe in meiner kleinen Welt unter Kniehöhe. Ich höre allerdings meinen Vater Jessi begrüßen und fragen, was für ein attraktiver Kerl da neben ihr stünde. Sie erwidert, dass es sich bei dem Kerl um einen alten Freund handelt, der zufällig in der Stadt ist und ins Kino wollte.
» Ins Kino?«, fragt mein Vater. » Sagen Sie, Leo– wussten Sie, dass Jessi schwanger und verlobt ist?«
» Äh, das mit der Schwangerschaft, na ja, das sieht man.«
» Aber wussten Sie es, bevor Sie sich bei ihr gemeldet haben?«
» Nein.«
» Und?«
» Schön für sie und… verlobt?«
Leo muss sich Jessi zugewandt haben, vermutlich ist er etwas verwirrt, hatte sich vielleicht heimlich auf sein erstes Mal mit einer Schwangeren gefreut oder war eh kurz davor, einen Abgang zu machen. Oder er…
» Geil!«, ruft er wider Erwarten und umarmt Jessi. » Wer ist denn der Glückliche?«
» Ich«, sagt mein Mund.
» Das müssen wir feiern!«
Sprachmesse
»Rund 200 Aussteller aus 30 Ländern präsentieren aufder Expolingua weltweite Sprachlernangebote. Di e Messesprache ist Deutsch.«
Eigentlich heißt Leo Leonhard von Graeven, ist unverschämt sympathisch, einnehmend, attraktiv und reich. Ach, und einen guten Humor hat er auch, er ist das volle Programm, die Überdosis Mann, alles, was man sich als Frau wünschen kann. Tier- und kinderlieb, Nichtraucher, aktiv, interessant und interessiert, na, und reich, falls ich das noch nicht erwähnt hatte. Er besitzt alles, was er braucht, und hat sich alles selbst verdient. Sein Vater war Lehrer und hat ihn früh mit Computern in Kontakt gebracht. Mit vierzehn hat Leonhard seine erste Datenbankanwendung für eine Videothek programmiert und verkauft, danach war er bei Microsoft, Adobe und schließlich mit einem Start-Up im Netz,
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