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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murmel Clausen
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Halsschlagader wild pulsiert.
    » Tut mir leid, wir haben gerade Stress.«
    Ralf schüttelt nur mit gerunzelter Stirn den Kopf. Da er mir relativ egal ist, Jessi hingegen mitnichten, lasse ich ihn in seinem Schlafzimmer zurück und mache mich auf, sie einzuholen. Maren rufe ich auf dem Weg durchs Wohnzimmer zu, dass es mir leid tut, sie da mit reingezogen zu haben, dann schlüpfe ich in meine Schuhe, greife mir meine Sachen und stolpere die Treppen runter.
    Eine Schwangere einzuholen stellt zum Glück keine besondere Herausforderung dar. An der Ecke zur Westermühlstraße lege ich ihr die Hand auf die Schulter und entschuldige mich; im selben Atemzug schlage ich vor, sich kurz auf einen Kakao in die Chocolaterie Götterspeise zu setzen. Oder ins Faun. Jessi hält das jedoch für unnötig und faucht mich leicht berlinernd an, dass ich mich gehackt legen kann. Sie rutscht immer in den Dialekt ihrer Kindheit, wenn sie richtig wütend ist.
    » Es tut mir leid, ehrlich«, sage ich. » Ich war zufällig in der Gegend und dachte, ich schau mal vorbei. Und dann kamst du, und–«
    » Und was?«
    » Keine Ahnung. Ich wollte eben nicht stören.«
    » Oh, das ist dir ganz wunderbar gelungen.«
    Ich versuche, ihre Hand zu nehmen, vergebens. Erfolgreich bin ich nur darin, das Falsche zu sagen: » Du hast ja auch nichts erzählt, was ich nicht schon wüsste.«
    Jessis Miene wird schlagartig beunruhigend kühl. » Du hast also doch gelauscht.«
    » Lauschen– was ist denn das für ein Wort? Ich hab halt ein paar Satzfetzen nicht überhören können. Und, wie gesagt, ist ja nichts dran.«
    » Jens, das ist nicht das Thema. Du warst bei Maren und hast dich in ihrem Bett versteckt. Du drehst hohl, nicht ich.«
    » Ja, da hast du recht. Ich weiß auch nicht, warum.«
    » Dann finde es raus, verdammt. Vielleicht kannst du es mir ja irgendwann erklären. Bis dahin will ich nichts von dir hören. Nichts.«

Filmmesse
    »Die Berlinale ist das Rahmenprogramm des European Film Market, einem der bedeutendsten Branchentreffs der internationalen Filmindustrie.«
    Am Abend liege ich in meinem Kanu und versuche mit iPhone Hip FM zu hören. Wenn ich schon nicht in der Lage bin, heute am Mikrofon zu stehen und für Jerry eine Privatshow einzusprechen, will ich wenigstens mal wissen, wie das Programm denn sonst so klingt.
    Sprich, ich versuche eine App zu finden, über die das Programm gestreamt wird. Dabei wundere ich mich vor allem über die Rezensionen, die von den anderen so hinterlassen werden. Sie benutzen Emoticons, fluchen, schimpfen hinter ihren Pseudonymen, was das Zeug hält, und kommen mit der Tastatur ihrer iPhones ebenso wenig zurecht wie ich.
    » Früher war die app Geil, aber jetzt stürzt es immer ab.«
    » frage mich, wie so ein DRECK überhaut zugelassen wird!!! ein stern ist noch zu viel«
    » Funktioniert ned :-( »
    Eigentlich sollte ich im Sender stehen und endlich mal meine erste Testsendung aufnehmen. Nach so einem Tag ist mir jedoch nicht danach, ich habe nicht mal Durst. Wenigstens hat Sven vorhin noch gemeint, dass er bald herkommt, vielleicht lasse ich mich von ihm ja ein wenig ablenken.
    Unterdessen gibt mir mein Vater zusätzlich Anlass zur Sorge, da ich von ihm seit Stunden nichts mehr gehört habe. Seine Taschen stehen noch in der Bibliothek, das Netzteil seines Handys steckt in der Dose, er muss es also bei sich haben. Aber er reagiert nicht auf meine Anrufe. Kann es sein, dass ich mich gerade für einen Mann verantwortlich fühle, der dieselben Gefühle für mich die vergangenen zwanzig Jahre erfolgreich unterdrückt hat? Soll er doch in der Gegend rumstromern und versuchen, bei irgendwelchen Ladys zu landen. Früher oder später wird er reumütig mit eingezogenem Schwanz wieder zu meiner Mama zurückkehren, ein paar Monate in seinem Feldmochinger Dachgeschoss die schlechte Stimmung aussitzen und schlussendlich mit einem mürrischen » Ich bin ein Depp, es tut mir leid« seinen zweiten Frühling beenden.
    Statt Sven meldet sich jedoch plötzlich Bülent telefonisch bei mir und fragt mich, wo zur Hölle ich stecke. Bei ihm brenne das Haus, und wenn ich nicht in zehn Minuten bei ihm sei, würde meins auch in Flammen aufgehen. Mit mir, meiner Verlobten und allem, was ich besitze.
    » Hey, ich wohne gerade bei Hondo, Bülent. Und lass meine Verlobte da raus!«, erwidere ich mit einem Selbstbewusstsein, dessen Existenz mir bislang gar nicht bewusst war.
    » Laber nicht, Arschloch, fahr los!«, brüllt der Bülander

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