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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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eilte zu Vesna. Nun würden wir endlich die restlichen Beratungsstellen abklappern.
    Drei Stunden später saßen wir in einem Straßencafé in Favoriten. Die Aprilsonne schien warm genug, um es an einem Tisch im Freien erträglich zu finden. Zum Trost für unsere vergebliche Mühe hatten wir uns zwei riesige Eisbecher bestellt. Die Mordkommission hatte uns eingeholt. Auch Zuckerbrots Mitarbeiter waren nun dabei, Migrantenberater und Flüchtlingsbetreuerinnen zu befragen. Vesnas Strategie schien nicht mehr Erfolg versprechend, also versuchten wir als Freundinnen Ulrikes zur gewünschten Information zu kommen. Das Reden überließ ich trotzdem Vesna. Niemand hatte etwas von Jane Cooper gesehen. Alle reagierten gleich erstaunt auf die Vorstellung, dass sich eine junge, weiße Frau aus den USA an sie wenden sollte.
    Wir streckten die müden Beine aus, schaufelten Eis in uns hinein, bis mir ganz kalt im Magen wurde. Danach fiel es besonders schwer, sich aufzuraffen und auch noch die letzten beiden Adressen abzuhaken. Bei der ersten gab es nicht viel zu fragen, die Stelle war geschlossen. Ein großer Zettel war auf die Tür geklebt: „Autonome Beratungsstelle für MigrantInnen und Konventionsflüchtlinge. Wegen Geldmangels gesperrt.“ Darunter stand eine Reihe von Adressen mit Einrichtungen, bei denen wir schon gewesen waren. Also auf zur letzten. Sie befand sich in einer Ecke des ersten Bezirks, in die sich Touristen nur selten verirrten. Gassen mit hohen Wohnhäusern, verparkte Straßen, einige hundert Meter entfernt vom Kriegsministerium aus Kaisertagen. Zur Zeit waren in dem Gebäude gleich mehrere Ministerien untergebracht, es schien dauernd und ohne ersichtlichen Fortschritt renoviert zu werden.
    In einem Ecklokal, das früher ein Gasthaus gewesen sein muss, war nun diese Beratungsstelle. Vesna sagte unseren Spruch auf. Ein Mann, der weit über sechzig zu sein schien, hörte uns zu. „Die Polizei war schon da“, sagte er dann. Wir nickten.
    „Ich werde unsere Chefin fragen. Ich helfe hier bloß aus, weil ich im Burgenland geboren bin und Kroatisch kann. Und Englisch kann ich auch. Und Pension bekomme ich nicht viel.“
    „Ja, bitte“ sagte ich, ohne auf den erschöpfenden Kurzabriss seines Lebenslaufes einzugehen. Er verschwand. Auf unserer Tour durch die Beratungsstellen hatten wir ein breites Spektrum an Helfern und Helferinnen erlebt. Von ganz jungen mit Tatoos und unzähligen Piercings bis zu ganz offensichtlich ehrenamtlich tätigen Frauen im mittleren Alter, von ausgebildeten Sozialarbeiterinnen über Zivildiener bis hin zu Rentnern oder Arbeitslosen, die mit diesem Job etwas dazuverdienten.
    Die Frau, vom Typ professionelle Sozialarbeiterin, bat uns in ihr Zimmer. „Sie wissen, dass schon die Polizei nach der Amerikanerin gefragt hat.“
    Wir nickten.
    „Ich kenne also die traurige Geschichte. Und ich sehe keinen Grund, sie Ihnen nicht zu erzählen – vorausgesetzt, Sie verwenden sie nicht in der Öffentlichkeit. Aber viel weiß ich ohnehin nicht.“
    Offenbar war ich von dem geballten Einsatz für die Schwächeren unserer Gesellschaft schon so benebelt, dass ich mir auch gut und edel vorkommen wollte. Ich sagte also: „Ich bin vom ‚Magazin‘. Ich bin eine Schulfreundin von Ulrike, das stimmt. Sie hat sich mit der Bitte um Hilfe an mich gewandt. Aber ich schreibe über die Fälle auch im ‚Magazin‘. Und ich bin gerne bereit, Ihnen absolute Vertraulichkeit zu garantieren.“
    Wenn Blicke töten könnten, den dritten Mord in diesem Fall hätte Vesna begangen. Und ich wäre die Leiche gewesen.
    Die Leiterin des Zentrums spielte mit einem Kugelschreiber. Ich schwieg. Selbst Vesna schien nichts einzufallen. Ich betrachtete die zahlreichen aufgeschichteten Kartons und Koffer entlang der Wand.
    „Das sind Altkleider, die wir bekommen und weitergeben“, wurde ich informiert. Aber eigentlich wollte ich etwas anderes wissen.
    „Gut“, sagte die Frau, „Sie sind wenigstens ehrlich. Und ich kann mich ohnehin nicht darauf verlassen, was die Polizei mit meinen Informationen macht. Also: Die Amerikanerin war hier. Sie muss eine Zeit lang in einer Ecke gestanden sein, wir hatten jede Menge Betrieb. In der Nacht war eine Drogenrazzia gewesen und die Suchtgiftpolizei hatte in zwei Bezirken wahllos Menschen in Haft genommen, das einzige Kriterium war offensichtlich wieder einmal ihre dunkle Hautfarbe. Sie waren selbst in Flüchtlingsheimen und in einem Lehrlingsheim. Also, ich habe die junge Amerikanerin

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