Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
registrierte, dass Winters’ Blick mehr als einmal auf meine Beine fiel. Andererseits, ich war die Frau, die diesen Rock für diese Gelegenheit gestern Abend extra noch gekürzt hatte. Ich sah auf meine Timex, einen meilenweit entfernten Verwandten von Winters’ Zeitmesser. Ich war spät dran, also kippte ich den restlichen Wein mit zwei großen Schlucken hinunter. Nach einem peinlichen Moment – streckte er etwa die Arme aus, um mich zu umarmen? – nahm ich den Ordner, und wir schüttelten uns die Hand.
Mir war ein Job angeboten worden, ein großartiger Job. Ichsollte ausgelassen sein, darüber nachdenken, wen ich zuerst anrief – Tom oder meine Eltern, Jules oder Quincy. Warum nur kicherte die Fiese Fiona so laut, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte?
In den letzten achtundvierzig Stunden hatte ich so heftig geweint, dass man meinen konnte, ich hätte einen ganzen Sack Zwiebeln geschält. Als das Tageslicht verblasste und es in der Wohnung langsam kühler wurde – unser Vermieter geizte mit der Heizung –, verkroch ich mich, zusammen mit Fanny, unter eine Wolldecke. Gegen Abend zündete ich eine Kerze an, und in diesem Moment hätte ich gern gewusst, wie man betete. Ich wollte dankbar sein, das sprichwörtliche Glas als halb voll betrachten, aber ich empfand kein Glück. Noch nicht.
Als Jake nach Hause kam, wollte er reden. Ich legte ihm den Zeigefinger auf den Mund, damit er schwieg. »Später«, sagte ich. »Morgen vielleicht.« Denn was gab es zu sagen?
Die meiste Zeit schlief ich. Und wenn ich nach einem kurzen traumlosen Schlaf erwachte, war mein einziger Trost das Lesen. Gestern war ich die Mätresse eines allzeit bereiten, feurigen englischen Königs gewesen. Heute war ich in Mumbai, tief versunken in die Kultur der Parsen, und immer noch auf der Flucht, als mit dem starren Tonfall ihrer Assistentin Maizie in mein Heiligtum eindrang. »Bleiben Sie dran für Ms May«, kommandierte die Frau, als ich den Hörer abnahm.
Vor einer Woche war ich mit dem Schreiben von ›Crazy Maizie‹ fertig geworden. Als Ausgangspunkt für ihre Lebensgeschichtehatte ich ihren ersten Kontakt mit der Öffentlichkeit gewählt. Damals war Maizie eine trendige Shirley-Temple-Version gewesen, deren Mutter offensichtlich selbst bei Kinderkleidern eine Vorliebe für Leopardenmuster hegte, was an einem kleinen Mädchen immer traurig wirkt und an einem mit so vielen Sommersprossen wirklich unvorteilhaft war. Es folgten die Irrungen und Wirrungen der Pubertät. Und scheinbar über Nacht verwandelte sich Maizie auf wundersame Weise in eine sexy Schönheit. Dann ging es weiter bis in die Gegenwart, in der Maizie Grammys zählte wie andere Leute Eier im Kühlschrank. Ich hatte das dreihundertseitige Manuskript binden lassen, damit die losen Blätter nicht ins Meer flatterten, wenn Maizie es an welchem Strand auch immer lesen und sich von den Strapazen ihrer Fettabsaugung erholen würde. Nachdem ich das Werk abgegeben hatte, war es mir gelungen, die Erinnerung daran, dass ich es überhaupt geschrieben hatte, sofort zu löschen.
Ich sagte Maizies Assistentin, ich würde dranbleiben. Da ich ohnehin in einer Art existenziellem Dunst dahintrieb, wäre es mir nicht aufgefallen, ob man mich eine Minute oder dreißig warten ließ. Doch gleich darauf rief Maizie: »Hey, du hast mich echt voll gut getroffen in diesem Buch, Q.« Sie war nicht gerade für ihre Zen-artige Zurückhaltung bekannt. Doch unsere geschäftliche Beziehung erlaubte mir nicht, sie zu bitten, mal auf ihre innere Stimme zu hören. Und es versetzte mir jedes Mal einen Stich, wenn sie mich mit dem Namen ansprach, den sonst nur Jake benutzte. Aber darüber musste ich hinwegsehen. »Die Szenen mit meiner Alten. Genial.«
Mama May war eine Schlange. Die Seiten hatten sich quasi von selbst geschrieben, vor allem als April May auf den Zug der Lästerer aufsprang und in der Talkshow ›The View‹ über ihre eigene Tochter herzog. Ich hatte nur noch mitschreiben müssen, das war alles.
»Aber die Abschnitte über meine Männer?« Dazu gehörteein Trio von Managern, die sie fröhlich ausgenutzt hatten, seit sie dreizehn war. »Das Beste haste einfach weggelassen.«
»Das musste ich. Wir waren uns doch einig, dass wir nicht wegen übler Nachrede verklagt werden wollen, oder?«
»Mir ist egal, wie du’s machst. Blas es einfach auf.«
Die zweite Hälfte meines Honorars wurde fällig, sobald Maizie das Manuskript akzeptierte. Wir brauchten das Geld,
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