Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
erst gestern Abend hatte Jake mich noch mal darauf angesprochen. Um die Anzahlung für die Wohnung zusammenzukratzen, hatten wir eine große Summe aus unserem gemeinsamen Anlagefonds abziehen müssen und dabei jede Menge Zinseinnahmen eingebüßt, außerdem war auch noch einiges Geld für Anwälte und Anträge aller Art draufgegangen. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, dass unsere Ausgaben die psychischen Kosten dieser Wohnungspleite noch abrundeten, hätte ich Jules und Arthur am liebsten erwürgt.
»Lass doch mal hören, was du dir vorstellst.«
»Nee, ich muss hier in zehn Minuten weg – wie wär’s mit Freitagvormittag um elf?« Es musste gehen. Sie hatte mich in der Hand.
»Sicher. Ich ruf dich an. Tschüs.«
»Leg doch nicht gleich auf«, rief sie lachend. »Manchmal glaub ich echt, du hasst mich.«
Eigentlich war Maizie ein argloses Geschöpf. Mich selbst verachte ich oft, weil ich einen Abschluss in Englischer Literatur des 19. Jahrhunderts gemacht und eine Arbeit über George Eliots Roman ›Middlemarch‹ geschrieben habe, um dann doch nur am unteren Ende der Nahrungskette des Literaturbetriebs zu landen, knapp vor irgendwelchen selbst ernannten Online-Redakteuren.
»Ein Freund hat mir Tickets für sein Konzert heut’ Abend gegeben, aber ich kann nicht hingehen – ich dachte, ihr habt vielleicht Lust, du und dein Süßer.«
»Danke, aber ich kann die Tickets leider auch nicht brauchen,mein … Süßer ist auf Geschäftsreise.« War er nicht – Jake saß in seinem Büro und rief mich sechsmal am Tag an. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir in der nahen Zukunft auf irgendwelche Konzerte gehen würden.
»Dann nimm wen anders mit. Haste keine Freundinnen?«
Interessante Frage. Früher hatten wir viel Zeit miteinander verbracht – Talia, Chloe, Jules und ich. Das war schwieriger geworden, seit drei von uns verheiratet waren und wir alle ganz verstreut wohnten. Doch es hatte eine Zeit gegeben, als ich zumindest Jules überreden konnte, alles stehen und liegen zu lassen, um etwas mit mir zu unternehmen. Sie war unbeirrbar loyal und immer amüsant gewesen. Ich vermisste ihr Lachen und ihre Gesellschaft, und es ging mir nicht zum ersten Mal so.
Talia war ebenfalls eine wunderbare Begleiterin, auch wenn ich irgendwann aufgehört hatte zu fragen, ob sie mit mir ausginge, weil sie ein ums andere Mal erwiderte, sie müsse bei Henry bleiben. Tom würde die Frühschicht übernehmen, erklärte sie dann, und die beiden hätten ausgemacht, dass er am Abend Schwimmen, Radfahren oder beim Basketball ein paar Körbe werfen könne.
Blieb noch Chloe. Für sie war das Babysitten nie das Problem gewesen; was sie beanspruchte – und das ist ein wörtliches Zitat –, war das »Gesellschaftsleben«. Ihre Abende sind eine einzige Abfolge von Partys mit Cateringservice, die sie entweder selbst gibt oder besucht, Wohltätigkeitsveranstaltungen, kulturbeflissenen Ereignissen – Theater-, Ballett-, Opernbesuche – und zwanglosen Abendessen in Restaurants, die Jake und ich nur zu wirklich besonderen Anlässen aufsuchen. Ich vermute, dass für sie »spontan« und »geht gar nicht« dieselbe Bedeutung haben. Und wahrscheinlich sieht sie im Grunde auf meine so unendlich viel bescheidenere Existenz herab.
»Biste noch dran?« Es war Maizie, wieder im Klageton.
»Tut mir leid, ich hatte gerade einen Moment lang keine Verbindung«, log ich, gewissermaßen.
»Na, denn«, meinte sie. »Ein Nein als Antwort gibt’s jedenfalls nicht. Meine Assistentin meldet sich bei dir wegen des Konzerts.« Und damit hängte sie auf.
Ich legte das Telefon aus der Hand und ging an meinen Schrank. Ganz hinten unter den Strandlaken hatte ich ein mindestens zehn Jahre altes Foto versteckt, auf dem Jules, Chloe, Talia und ich zu sehen waren, wie wir mit unseren runden Gesichtern voller Erwartung in die Kamera blickten. Das Bild war an einem Sonntagabend aufgenommen worden, von einem der seltenen Gäste; normalerweise blieben wir an diesen Abenden unter uns, wenn Jules Lasagne mit vier Sorten Käse oder Hackfleischbällchen in Soße nach dem Rezept ihrer Nonna für uns zubereitete und Talia versuchte, so gut zu backen wie ihre Mutter. Wir saßen am langen Eichentisch in der großen alten Wohnung, die nur wenige Häuser von hier lag, und ich wünschte, ich hätte sie niemals aufgegeben und würde jetzt noch, mit einem Haufen Kinder, darin wohnen.
Wir alle hatten einen Abzug von diesem Foto, vergrößert und
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