Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Stadt würde es sicher irgendwo ein Faxgerät geben. »Ich ruf dich an und gebe dir dann die Nummer durch.«
***
Quincy kam einen Tag vor den anderen. Sie war in Boston gewesen, wo Crazy Maizie, frisch aus der Entzugsklinik entlassen, zurzeit auftrat. Als sie mehrere Einkaufstüten balancierend auf das Haus zuwankte, verdeckten zwei dünne Baguettes ihr Gesicht. Im Gegenlicht der Sonne sah es aus, als ragten zwei Antennen aus ihrem Kopf – Quincy Blue, die Außerirdische und überirdisch Schöne, und ich bin nicht sicher, ob sie selbst das weiß. Ihre langen, braun gebrannten Beine steckten in abgeschnittenen Jeans. Darauf war ich besonders neidisch, denn meine Haut blieb immer so weiß wie Milch; ein weiterer Grund, warum ich Südkalifornien unbedingt hatte verlassen müssen.
Ich lief über die hintere Veranda hinaus und hüpfte den Steinweg entlang. Jetzt, da sie hier war, konnte der Urlaub beginnen.
»Ich hätte schon vor zwanzig Minuten hier sein können, aber ich musste warten, bis eine Schildkröte die Straße überquert hatte«, rief sie.
»Na, dann hast du ja schon unseren nächsten Nachbarn getroffen«, sagte ich, als wir uns umarmten und ich ihr einige Tüten abnahm. Sie waren vielversprechend schwer. »Du hast doch gar nicht so lange gebraucht.«
»Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich für Antiquitätenläden bremse. Erinnere mich daran, dass ich dir den Drahtkorb zeige und das Bakelittelefon.« Sie redete rasend schnell, was Quincy nur tat, wenn sie aufgeregt war. »Und mein neues Haustier. Denn was ist ein Zuhause schon ohne einen ausgestopften Waschbären?«
»Ist das alles für deine neue Wohnung?«, fragte ich.
Das Lächeln verschwand aus Quincys Gesicht. Sie stellte die Einkaufstüte ab und zog ihr Handy heraus. »Da fällt mir ein, ich muss noch telefonieren.«
»Viel Glück mit dem Empfang«, sagte ich, »der kommt und geht hier, ganz ähnlich wie die Sonne.«
Ich trug die Tüten in die Küche und begann auszupacken. Minicroissants, Sieben-Korn-Brot, ein Glas Senf zu fünf Dollar, die teure sahnige Butter, Pflaumen, Nektarinen, Oliven, Mandeln, einige Flaschen Pinot Grigio und Quittenmarmelade. Ich stellte gerade den Wein in den Kühlschrank, als Quincy in die Küche kam und sich an den Resopaltisch setzte, ein Stück aus jener Zeit, in der Abigail und Big Tom Walmart die Treue geschworen hatten. Ich hatte Kekse aus der besten und einzigen Bäckerei der Stadt hingestellt und zwei hohe Gläser Limonade, die ich genau nach Abigail Wells Rezept gemacht hatte, mit sehr viel Zuckersirup und frisch gepresstem Zitronensaft. Quincy hielt sich ihr Glas an die Stirn, ehe sie zwei Tabletten aus einer Packung drückte und sie schluckte. Dann trank sie ihre Limonade in einem Zug aus und ließ den Blick schweifen.
»Darf ich euch die Kuckucksuhr da klauen?« Jetzt hatte sie ihr Lächeln wiedergefunden.
»Nur zu, ich hänge nicht sehr daran.« Mir gefiel es, dass Quincy als Erste gekommen war. Wir sahen uns nicht oft allein, und sie ist eine Frau, die zuhört und ernst nimmt, was man sagt. »Ich dachte, wir könnten gegen Abend in die Stadt fahren, noch ein paar Donuts fürs Frühstück kaufen und dann Hummer essen gehen.« Ich griff nach ihrer Reisetasche. »Komm.«
Am oberen Treppenabsatz blieb Quincy stehen und musterte die Sammlung von Familienfotos: Tom und seine Geschwister, die segelten, Kanu fuhren, in Hängematten dösten, auf Bäume kletterten, Würstchen am Spieß grillten und stolz selbst geangelte Fische in die Höhe hielten, die länger waren als ihre Arme. In der Ecke entdeckte ich ein neues: ein am Strand watschelnder Henry, das Gesicht von einem großen Strohhut verdeckt, in der einen Hand eine Schaufel und die andere in Toms Hand gepresst. Quincy sah das Bild an, als wollte sie jeden Moment ein sehnsüchtiges »Oh« ausstoßen.
»Theoretisch kannst du dir ein Schlafzimmer aussuchen«, sagte ich, weil ich nicht noch länger vor diesem Schrein familiärer Fruchtbarkeit verweilen wollte. »Aber freu dich nicht zu früh.« Ich führte sie in das Zimmer, das nach vorne hinausging. »Du könntest hier schlafen, dachte ich – es hat eine Aussicht auf das, was wir den Strand nennen.« Ich zeigte auf eine Mondlandschaft schwarzer Felsen. »Wenn man Chloes Marotten bedenkt, bist du hier wohl am besten aufgehoben.« Chloe braucht zum Schlafen postapokalyptische Finsternis und ein Gerät, das ein monotones Rauschen erzeugt, und sogar dann verbringt sie nachts oft Stunden lesend. Sie
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