Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
konnte mein eigenes Zögern hören.
»Natürlich.« Er öffnete sie mit seinen kräftigen Händen, blätterte sie langsam durch und stellte mir zu jedem Blatt eine Frage. Nach gut zehn Minuten sah er lächelnd auf.
Das Vorstellungsgespräch war beendet. Hätte ich noch betonen sollen, wie gern ich Kundenbesuche machte und was für ein Gewinn ich für seine Werbeagentur sein würde?
Zu spät, Talia Rose Fisher. Mrs Fisher-Wells.
»Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte ich.
»Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte Winters Jonas. »Sie haben eine Menge Energie.«
Wirkte ich etwa wie eine jener Frauen, die nicht aufhören können zu tanzen, selbst wenn das Konzert längst vorüber ist?
Wir schüttelten uns die Hände. »Sie hören von mir«, sagte er, lächelte und drehte sich zu dem flachen Notebook auf dem Tisch hinter sich um. Da fiel mir plötzlich eine der Jules-Regeln ein:
Sprich immer direkt aus, was du willst.
»Ich hätte diesen Job wirklich gern. Und ich glaube, ich wäre auch ein Gewinn für Bespoke Communications.«
»Wirklich?«, entgegnete er und sah mich amüsiert an.
»Wenn Sie mich nicht einstellen, machen Sie einen großen Fehler«, fügte ich standhaft hinzu und sah mich schon mit blondem, glattem Haar in der ersten Klasse sitzen, auf dem Flug nach Barcelona und Berlin, beides Städte, in denen ich bisher noch nicht gewesen war.
»Ich werde es mir merken, Talia«, sagte Winters Jonas, leicht glucksend.
Und damit verließ ich das Büro, ging den dämmrigen Flur entlang und vorbei an Blondie. Auf dem Gehsteig lief ich so schnell wie möglich davon, ohne mich auch nur noch ein einziges Mal umzusehen.
Hätte Quincy mich noch schneller stehen lassen können? Ich konnte sie mir nicht mal richtig anschauen. Nur dass sie immer noch denselben Trenchcoat trägt wie damals, als wir zusammenwohnten, ist mir aufgefallen. Ich hätte ja zu gernmal gesehen, ob eine mit Drillingen schwangere Frau dreimal so dick ist wie ich. Und ich hätte vielleicht auch ganz gern mal mit ihr geredet. Obwohl ich sie selbst unter idealen Umständen niemals um ihren Rat bitten würde, was zum Teufel ich als Nächstes tun soll. Weder Talia noch Chloe haben Quincys kostbaren Zustand erwähnt. Die kleine Mama hat ihnen also entweder noch nichts erzählt, oder aber – autsch! – diese beiden Schnepfen haben geschworen, mit so einer wie mir nicht über das segensreiche Ereignis zu reden. Schließlich bin ich diejenige, die Quincys Drillinge ihres Zuhauses beraubt hat.
»Guten Abend, Miss de Marco. Kann ich Ihnen helfen?«
Wenn’s bloß so wäre.
»Vielen Dank, Esteban, nein«, sagte ich. Die Pförtner kannten meinen Namen; es hat etwas sehr Kultiviertes, persönlich begrüßt zu werden. Doch als ich jetzt über den Orientteppich ging, der derart hässlich war, dass man ihn selbst bei eBay kaum losgeworden wäre, streifte mich der Gedanke, dass die Hochnäsigen hier wohl meinten, sie hätten allein schon aufgrund ihrer Adresse Geschmack. Denn ich hätte meinen Arsch verwettet, dass sie es waren, die diesen Teppich ausgesucht hatten.
Ich hörte das Gejohle schon, als ich aus dem Fahrstuhl stieg. Das konnte nur eines bedeuten: Arthur hatte Besuch von seiner Nachbarin. Ihr wieherndes Lachen dröhnte den ganzen Korridor entlang.
Jennifer ist eine jener Frauen, die erst durch Konkurrenz erwachen. Ehe ich die Szene betreten hatte, dürfte sie meinem Artie nicht mal ein knappes Hallo zugebrummt haben, wenn sich die beiden zufällig am Müllschlucker begegneten. Doch seit ich mehrmals die Woche in der Wohnung gegenüber auftauchte, war sie geradezu aufdringlich wie Spam geworden. Ich hatte Arthur schon vorgeschlagen, eine Firewall zu errichten – zu rufen: »Ich habe eine Freundin«, wäre ein Anfang –, doch er suhlte sich gern in dieser Art Aufmerksamkeit.
Als ich die Tür aufschloss, hörte ich sie sagen: »Die Ehefrauwar so mit den Nerven herunter, dass sie auf die Toilette rennen musste.« Dann sah ich, dass Jennifer sogar Lachtränen über die Wangen liefen, hässliche Rinnsale, die sich durch ihr Make-up fraßen.
Sollte ich ihr einen Lappen reichen? Sie mit dem Schlauch abspritzen?
»Heilige Scheiße!«, rief Arthur, der meine Anwesenheit offenbar nicht bemerkte. »Was ist sonst noch passiert?« Er schenkte seiner Besucherin Wein nach, obwohl ihr Glas noch halb voll war. Es war eine Flasche, die ich vor zwei Tagen gekauft hatte.
»Die Frau konnte einfach den Mund nicht halten. Akuter
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