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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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könnte gut seinen Untergang herbeiführen. Aber wenigstens bin ich nicht der Geliebte seiner Frau, tröste ich mich. »Wo ist Léon?«, frage ich dann, dabei nicke ich zu dem leeren Schreibtisch hinüber.
    »Léon? Oh, ich habe ihn heute Morgen losgeschickt, um Throckmorton abzufangen, bevor er nach Sheffield aufbricht. Ich habe einen persönlichen Brief an Königin Maria geschrieben, Howards Anschuldigungen zurückgewiesen und ihr meine Loyalität versichert. Ich will nicht, dass sie denkt, diese Botschaft wäre nicht fähig, ihre geheime Korrespondenz zu bearbeiten. Und ich will nicht zugunsten von Mendoza beiseitegeschoben werden. Das müssen wir um jeden Preis vermeiden.« Er schiebt das Kinn vor und blickt erneut zu Dumas’ Stuhl hinüber. »Ich habe Léon zum Essen zurückerwartet. Hoffentlich hat er die Gelegenheit nicht genutzt, um in einer Schänke einzukehren. Ich möchte nicht, dass ihm dasselbe widerfährt wie Euch.«
    »Ich glaube nicht, dass so etwas Léons Art ist«, erwidere ich mild, obwohl mich eine leise Unruhe überkommt. Wo ist Dumas? Wo mag er in seinem überreizten Zustand hingegangen sein? Ich grabe die Nägel in die Handflächen. Wenn doch Marie nur sein Geständnis nicht unterbrochen hätte!
    »Nein, da habt Ihr Recht.« Castelnau schiebt seinen Stuhl zurück und geht zur Tür. »Viele Sekretäre hätten das getan. Mit Léon habe ich Glück – er ist ein pflichtbewusster Junge, nur etwas zu nervös. Nun, Bruno«, er hält mir die Tür auf, »danke, dass Ihr Euch die Probleme eines alten Mannes angehört habt.«
    »Mylord Botschafter«, murmele ich, den Kopf neigend.
    Er lächelt. Sein Gesicht scheint vor Erschöpfung einzufallen.
    »Heute Abend werdet Ihr mein Botschafter sein, Bruno. Enttäuscht mich nicht.«
    Als sich die Tür hinter mir schließt, löst sich Courcelles eine Spur zu schnell aus den Schatten im Gang.

14
    Arundel House, London
    2. Oktober im Jahr des Herrn 1583
    Der Wind peitscht seitlich über den Fluss, lässt weiße Gischt über das braune Wasser tanzen, die Privatbarke des Botschafters schwanken und die Laterne hin und her schwingen sowie große Bogen orangefarbenen Lichts beschreiben, während sich die Abenddämmerung und die angeschwollenen Wolken wie eine dunkle Decke über die Stadt London zu legen scheinen.
    Die Stadtresidenz des Earl of Arundel ist eines dieser großen, vor hohen Schornsteinen strotzenden Herrenhäuser aus roten Ziegeln, deren weitläufige Rasenflächen sich bis zum Ufer des Flusses erstrecken, wo eine hohe Mauer sie vor dem Anblick sowie dem Geruch der Themse und des darauf herrschenden lebhaften Verkehrs schützt. Obwohl wir von Salisbury Court nur eine kurze Strecke flussaufwärts zurückzulegen haben, bietet die Fahrt Courcelles ausreichend Gelegenheit, seinen Gefühlen bezüglich meiner Rolle an diesem Abend Luft zu machen.
    »Es ist unglaublich!«, platzt es aus ihm heraus, dabei erhebt er sich halb von seinem Sitz, sodass sich das Boot bedenklich zur Seite neigt, während wir an den Gärten des Inner Temple vorbeigleiten. Ein paar Blätter wehen über die Mauer und landen auf der Wasseroberfläche, als der Wind durch die überhängenden Zweige der Bäume fährt. Die neben Courcelles sitzende Marie legt ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm. Ich war so vorsichtig, ihn nach ihr in das Boot steigen zu lassen, wohl wissend, dass er den Platz an ihrer Seite einnehmen würde. Ich muss mich heute Abend auf andere Dinge konzentrieren als darauf, Maries Annäherungsversuche abzuwehren, und gedenke, so viel Abstand zu ihr zu halten wie möglich.
    Courcelles schiebt ihre Hand ungeduldig weg. »Nun, das ist es doch wirklich! Wenn Lord Castelnau krank ist, sollte ich von Rechts wegen an seiner Stelle an dem Bankett teilnehmen!«
    »Ihr nehmt doch daran teil«, versetze ich, dabei blicke ich zum Südufer hinüber. »Wo liegt das Problem?«
    »Das Problem , Bruno …« Courcelles ist gezwungen, innezuhalten, da der Wind ihm sein feines Haar in den Mund bläst. Nachdem er es herausgezogen hat, rutscht er auf den Rand der Bank und deutet mit einem Finger auf mich. »Das Problem ist, dass ich sein persönlicher Sekretär bin. Ich bin mit seinen Geschäften besser vertraut als irgendjemand sonst in der Botschaft. Also sollte ich derjenige sein, der heute Abend seine Ansichten vertritt. Wer seid Ihr denn schon?«
    Aus seiner Entrüstung schließe ich, dass Castelnau ihn vor unserem Aufbruch beiseitegenommen und ihm klargemacht hat, dass er mich als

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