Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
durch vorspringende Steine unregelmäßige Öffnung. Drinnen war es finster, erst nach einiger Zeit erkannte ich unordentlich durcheinanderliegende längliche Gegenstände. Ich wollte nicht durch das ramponierte Fenster kriechen, denn mein massiver Sendling konnte leicht darin steckenbleiben. Ich ging auf die Suche nach einer Tür, denn wo Fenster waren, mußte wohl auch eine Tür sein. Ich umschritt das Gebäude, das eine große Gewalt derart in den Boden gepreßt hatte, daß es schief und platt war. Eine Tür fand ich nicht, dafür aber in einer Seitenwand eine Bresche, die breit genug war, mir, wenn ich mich bückte, Einlaß zu bieten. Wo das Sonnenlicht auf dem Mond direkt neben dem Schatten liegt, sind die Helligkeitskontraste so groß, daß das Auge sie nicht bewältigen kann. Ich mußte mich mit ausgebreiteten Armen in einen Winkel dieses Raums tasten, den Rücken an die starke Wand lehnen und die Augen schließen, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Ich zählte bis hundert, dann sah ich mich um.
    Das Innere glich einer oben offenen Höhle, doch durch die Öffnung drang keinerlei Licht, denn der Himmel des Mondes ist schwarz wie die Nacht. Auch das Sonnenlicht läßt sich, wenn es durch eine Öffnung fällt, nicht als heller Strahl erkennen, weil es nicht durch Luft und Staub zerstreut wird wie auf der Erde. Die Sonne blieb draußen und warf nur einen weiß leuchtenden Fleck auf die Wand, genau dem Winkel gegenüber, in dem ich mich befand. In seinem Widerschein sah ich zu meinen Füßen – drei Leichen. Dafür hielt ich sie im ersten Augenblick, denn sie waren zwar geschwärzt und entstellt, aber sie hatten Körper, Arme, Beine und die eine sogar einen Kopf. Blinzelnd und meine Augen mit der Hand vor dem blendenden Sonnenfleck schirmend, kauerte ich bei dem nächstgelegenen Leichnam nieder. Es war kein Mensch, es waren nicht einmal sterbliche Überreste, denn was von seiner Entstehung her tot ist, kann nicht sterben. Noch ehe ich den Körper, der mit gespreizten Beinen vor mir lag, auch nur berührt hatte, erkannte ich ihn als eine Art Puppe, allerdings nicht als Roboter, denn sein aufgetrennter Rumpf war, von einer Handvoll Kies und Sand abgesehen, völlig leer. Vorsichtig zog ich an seinem Arm. Er war ganz leicht, wie aus Schaumstoff, und kohlschwarz dazu. Seinen Kopf entdeckte ich an der Wand, wo er wie auf einem Sockel auf dem abgerissenen Hals stand und mich aus drei leeren Augenhöhlen anstarrte.
    Natürlich fragte ich mich verwundert, warum es ausgerechnet drei waren. Das dritte Auge lag wie ein kleines rundes Loch unterhalb der Stirn, wo beim Menschen das Nasenbein ansetzt, aber diese seltsame Puppe hier hatte wohl nie eine Nase besessen, die auf dem Mond ohnehin zu nichts zu gebrauchen ist. Auch die anderen Puppen waren nur annähernd von Menschengestalt. Die Zerstörung der Gebäude hatte sie zwar entstellt, aber man erkannte doch auf den ersten Blick, daß ihr Körperbau sich der menschlichen Anatomie nur näherte, sie aber nicht genau kopierte. Die Beine waren zu lang, anderthalbmal so lang wie der Rumpf. Die Arme waren zu dünn und saßen nicht an den Schultern, sondern komischerweise an Brust und Rücken. Das mußte die Regel sein, denn Explosion, Druckwelle und Einsturz hatten zwar einem die Gliedmaßen verdrehen können, aber nicht allen auf die gleiche Weise. Wer weiß, vielleicht ist es zuweilen ganz günstig, hinten und vorn Hände zu haben.
    Während ich so dem hellen Sonnenflecken gegenüber im Dunkel vor den Moderbeinen hockte, fiel mir plötzlich auf, daß ich außer dem hastigen Ticken des Geigerzählers nichts anderes mehr hörte, daß seit etlichen Minuten, wenn nicht noch länger, Vivitchs Stimme nicht mehr zu mir drang. Zuletzt hatte ich ihm von der Düne aus geantwortet, die über die Ruinen ragte. Von meiner Entdeckung hatte ich nichts gemeldet, weil ich mich erst vergewissern wollte, daß es kein Irrtum war. Ich rief die Zentrale, hörte aber nur das rasende, alarmierende Ticken des Geigerzählers. Die radioaktive Verseuchung war beträchtlich, aber ich verlor mit Messungen keine Zeit, denn dem Sendling konnte sowieso nichts passieren. Dann fiel mir aber ein, daß ein von den zerschmetterten Steinen der Ortschaft abgesondertes, unsichtbares ionisiertes Gas meine Funkverbindung unterbrochen haben und das jeden Augenblick auch mit meinem Kontakt zum Raumschiff passieren konnte. Mir fuhr ein Schreck in die Glieder, denn ich glaubte, dann für immer hierbleiben zu müssen,

Weitere Kostenlose Bücher