Friedhof der Kuscheltiere
bevorstehen (»Wenn ihn diese kleine Schlampe mit der Christophorus-Medaille nicht schon ins Bett gezerrt hat, fresse ich deine Shorts, Louis«, hatte sie gesagt), das Ende seiner Studienpläne und seiner olympischen Hoffnungen, und neun oder zehn kleine Katholiken, die im Haus herumliefen, wenn Gage vierzig war. Dann würde er (zumindest nach Rachels Meinung) ein zigarrenrauchender Lastwagenfahrer mit einem Bierbauch sein, der mit ›Unser Vater im Himmel‹ und ›Gebenedeit seist du Maria‹ einem vorzeitigen Herztod entgegenging.
Louis war überzeugt, daß die Motive seines Sohnes etwas edler waren, und obwohl er tatsächlich konvertierte (und Louis an dem Tag, an dem er es tat, eine unverfroren niederträchtige Postkarte an Irwin Goldman schrieb: Vielleicht bekommen Sie noch einen Jesuiten zum Enkel -- Ihr Goi-Schwiegersohn, Louis), heiratete er das nette (und keineswegs schlampige) Mädchen nicht, in dessen Gesellschaft er den größten Teil seines letzten Schuljahrs verbracht hatte.
Er ging zur Johns Hopkins-Universität, wurde in die Olympia-Mannschaft der Schwimmer aufgenommen, und an einem langen, strahlenden und unendlich stolzen Nachmittag, sechzehn Jahre nachdem Louis um das Leben seines Sohnes mit einem Orinco-Laster um die Wette gelaufen war, sahen er und Rachel (die inzwischen fast völlig ergraut war, das Grau aber unter einer Tönung verbarg), wie ihr Sohn für die Vereinigten Staaten eine Goldmedaille gewann. Als die Kameras der NBC zu einer Großaufnahme auf ihn schwenkten und er dastand, den tropfnassen Kopf mit dem robbenglatten Haar zurückgelegt, die Augen unter den Klängen der Nationalhymne offen und unbeirrt auf die Flagge gerichtet, das Band um den Hals und das Gold auf der glatten Haut seiner Brust, da weinte Louis. Sie weinten beide, Rachel und er.
»Was für ein Höhenflug«, sagte er heiser und wandte sich ab, um seine Frau zu umarmen. Aber sie sah ihn mit aufdämmerndem Entsetzen an, ihr Gesicht schien vor seinen Augen zu altern, zerschlagen von schlimmen Tagen, Monaten, Jahren; die Nationalhymne verklang, und als Louis wieder auf den Bildschirm schaute, stand ein anderer Junge dort, ein schwarzer Junge mit krausem Haar, in dem noch die Wassertropfen funkelten.
Was für ein Höhenflug. Der Drachen. Der Geier. Sein Schatten...
Sein Schatten ...
Seine Kappe... oh, Gott, seine Kappe ist voller Blut.
Um sieben Uhr wachte Louis im trübkalten Licht eines Regenmorgens auf; seine Arme umklammerten das Kopfkissen. In seinem Kopf dröhnte jeder Herzschlag, der Schmerz schwoll an und ab, an und ab. Magensäure stieß ihm auf, die nach altem Bier schmeckte, und sein Magen krampfte sich erbärmlich zusammen. Er hatte geweint; das Kissen war naß von seinen Träumen, als wäre er im Schlaf irgendwie in eine dieser schnulzig-traurigen Country- und Westernballaden geraten. Selbst im Traum, dachte er, hatte etwas in ihm die Wahrheit gewußt.
Er stand auf und schwankte ins Badezimmer; das Herz jagte dünn in seiner Brust, sein Bewußtsein schien von der Intensität seines Katzenjammers in Stücke gerissen. Er erreichte die Toilette gerade noch rechtzeitig, bevor er das Bier der letzten Nacht von sich gab.
Er kniete mit geschlossenen Augen auf dem Fußboden, und es dauerte eine Weile, bis es ihm gelang, auf die Beine zukommen. Er tastete nach dem Griff und zog die Spülung. Dann trat er vor den Spiegel, um zu sehen, wie blutunterlaufen seine Augen waren, aber das Glas war mit einem Laken verhängt. Erst jetzt fiel es ihm ein -- in der Erinnerung an eine Vergangenheit, deren sie sich angeblich kaum noch entsann, hatte Rachel alle Spiegel im Haus verhängt; außerdem zog sie die Schuhe aus, bevor sie das Haus betrat. Keine olympische Schwimm-Mannschaft, dachte Louis benommen, als er zu seinem Bett zurückkehrte und sich daraufsetzte. Der saure Biergeschmack füllte Mund und Kehle, und er schwor sich (nicht zum ersten und zum letzten Mal), dieses Gift nie wieder anzurühren.
Keine olympische Schwimm-Mannschaft, keine vorzüglichen Zensuren im College, keine katholische Freundin und keine Konversion, kein Camp Agawam, gar nichts. Die Schuhe waren ihm von den Füßen gerissen worden, der Pullover von innen nach außen gewendet, sein kleiner Jungenkörper, so zäh und so stämmig, fast in Stücke zerfetzt, seine Baseballkappe voller Blut.
Erst jetzt, da er in der lähmenden Gewalt seines Katzenjammers auf dem Bett saß und das Regenwasser träge an der Fensterscheibe neben ihm herabrann,
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