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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vernünftig, daß er reizvoll und verrückt zugleich war. Er würde nicht nur die Vergangenheit ruhen lassen, sondern auch Gage in seinem Grab auf dem Pleasantview-Friedhof. Anstelle des Versuchs, eine Tür zu öffnen, die ins Schloß gefallen war, würde er sie verriegeln, den Schlüssel zweimal umdrehen und dann wegwerfen. Er würde genau das tun, was er seiner Frau gegenüber behauptet hatte: regeln, was hier noch zu regeln war, und dann ins nächste Flugzeug nach Chicago steigen. Vielleicht würden sie den ganzen Sommer dort verbringen, er, seine Frau und seine Tochter. Sie würden in den Zoo gehen, ins Planetarium, mit einem Boot auf dem See herumfahren. Er würde mit Ellie auf den Sears Tower steigen und ihr den Mittleren Westen zeigen, der sich unter ihnen hinstreckte wie ein großes, flaches Schachbrett, üppig und verträumt. Mitte August würden sie dann in dieses Haus zurückkehren, das ihnen jetzt so traurig und verschattet vorkam, und vielleicht wäre es ein neuer Anfang. Vielleicht konnten sie das Gewebe mit neuem Garn noch einmal beginnen. Was jetzt auf dem Webstuhl der Creeds lag, war häßlich, bespritzt mit trocknendem Blut.
    Aber lief das nicht darauf hinaus, daß er seinen Sohn mordete? Seinen Sohn ein zweites Mal tötete?
    Eine innere Stimme versuchte ihn zu überzeugen, daß es nicht so war, aber er wollte sie nicht hören. Er unterdrückte sie rasch.
    »Irwin, ich muß jetzt Schluß machen. Ich möchte nachsehen, ob Rachel alles hat, was sie braucht, und dann dafür sorgen, daß sie schläft.«
    »In Ordnung, Louis. Auf Wiedersehen. Und ich möchte...«
    Wenn er noch einmal sagt, es täte ihm leid, dann schreie ich.
    »Auf Wiedersehen, Irwin«, sagte er und legte den Hörer auf.
     
     
    Als er hinaufkam, fand er Rachel in einem Wust von Kleidungsstücken. Blusen lagen auf dem Bett, Büstenhalter hingen über den Stuhllehnen, Hosen auf Bügeln an den Türgriffen. Unter dem Fenster reihten sich Schuhe wie Soldaten. Es sah aus, als packte sie zwar langsam, aber überlegt. Louis sah, daß sie mindestens drei Koffer, vielleicht sogar vier brauchen würde, aber er hielt es nicht für sinnvoll, Einspruch zu erheben. Stattdessen machte er sich daran, ihr zu helfen.
    »Louis«, sagte sie, als sie den letzten Koffer schlossen (er mußte sich draufsetzen, damit Rachel die Schlösser zudrücken konnte), »bist du sicher, daß du mir nichts verschweigst?«
    »Um Himmels willen, Liebling, was soll das heißen?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie ruhig. »Deshalb frage ich ja.«
    »Was erwartest du denn? Daß ich ins nächste Bordell schleiche? Zum Zirkus gehe? Oder was sonst?«
    »Ich weiß es nicht. Aber irgendetwas stimmt nicht. Mir ist, als versuchtest du, uns loszuwerden.«
    »Aber das ist doch lächerlich!« Er sagte es mit einem Nachdruck, in dem ein Teil Erbitterung steckte. Selbst in einer solchen Situation ärgerte es ihn, daß er so leicht zu durchschauen war.
    Sie lächelte matt. »Du warst noch nie ein guter Lügner, Lou.«
    Er wollte wieder protestieren, aber sie unterbrach ihn.
    »Ellie hat geträumt, du wärst tot«, sagte sie. »Letzte Nacht. Sie wachte weinend auf, und ich ging zu ihr. Ich habe zwei oder drei Stunden bei ihr geschlafen, dann bin ich wieder zu dir gekommen. Sie sagte, in ihrem Traum hättest du am Küchentisch gesessen. Deine Augen wären offen gewesen, aber sie hätte gewußt, daß du tot bist. Sie sagte, sie hätte Steve Masterton schreien hören.«
    Louis sah sie erschrocken an. »Rachel«, sagte er schließlich. »Ihr Bruder ist gerade gestorben. Da ist es ganz normal, wenn sie träumt, daß auch andere Angehörige...«
    »Ja, das habe ich mir auch gesagt. Aber wie sie es erzählte -- die Einzelheiten --, es kam mir irgendwie prophetisch vor.«
    Sie lachte unsicher.
    »Aber vielleicht wollte sie nur, daß du kämst.«
    »Ja, das kann sein«, sagte Louis. Seine Stimme klang normal, aber er spürte die Gänsehaut am ganzen Kopf. Seine Haarwurzeln wurden steif.
    Es kam mir irgendwie prophetisch vor.
    »Komm mit ins Bett«, sagte Rachel. »Das Valium läßt nach, und ich möchte nicht noch mehr nehmen. Aber ich habe Angst. Ich habe auch geträumt...«
    »Wovon?«
    »Von Zelda«, sagte sie leise. »In den paar Nächten seit Gages Tod ist Zelda da, wenn ich schlafe. Sie sagt, sie käme, um mich zu holen, und diesmal würde sie es mir heimzahlen. Sie und Gage würden es mir heimzahlen, daß ich sie sterben ließ.«
    »Rachel, das ist doch...«
    »Nur ein Traum, ich weiß.

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