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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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beiden Händen in sein Haar und zog begeistert daran oder versetzte ihm einen fröhlichen Tritt in die Nieren. Späte Moskitos umschwirrten sein Gesicht und seinen Hals mit ihrem aufreizenden Surren.
    Der Weg führte abwärts, wand sich zwischen sehr alten Tannen und durchschnitt dann ein mit dornigem, verworrenem Buschwerk bewachsenes Gelände. Hier war der Boden in der Tat morastig; Louis' Stiefel patschten in Schlamm und stehendem Wasser. Eine regelrecht sumpfige Stelle überquerten sie, indem sie ein paar große Grasbüschel als Tritte benutzten. Dann hatten sie das Schlimmste hinter sich. Sie begannen erneut zu steigen; auch die Bäume hatten wieder Fuß gefaßt. Gage schien durch irgendeinen Zauber zehn Pfund zugenommen zu haben, und ein ähnlicher Zauber hatte auch die Temperatur um zehn Grad steigen lassen. Louis' Gesicht war schweißgebadet.
    »Kommst du zurecht?« fragte Rachel. »Oder soll ich ihn eine Weile tragen?«
    »Nein, mir geht's gut«, sagte er, und das stimmte sogar, obwohl sein Herz mit beachtlicher Geschwindigkeit in seinem Brustkorb hämmerte. Er hatte mehr Übung darin, körperliche Betätigung zu verordnen, als sie selbst zu praktizieren.
    Jud ging mit Ellie voraus; ihre zitronengelbe Hose und ihre rote Bluse waren bunte Farbtupfen im schattigen, braungrünen Dämmerlicht.
    »Lou, was meinst du -- weiß er wirklich, wo dieser Weg hinführt?« fragte Rachel mit leiser, etwas verängstigter Stimme.
    »Ganz bestimmt«, sagte Louis.
    Jud rief vergnügt über die Schulter zurück: »Wir sind bald da -- schaffen Sie es, Louis?«
    Großer Gott, dachte Louis, der Mann ist über die Achtzig, aber er scheint nicht einmal zu schwitzen.
    »Natürlich«, rief er ein wenig gereizt zurück. Sein Stolz hätte ihm vermutlich die gleiche Antwort eingegeben, wenn er sich einem Herzinfarkt nahegefühlt hätte. Er grinste, lüpfte die Tragriemen des Gerrypack ein wenig und marschierte weiter.
    Sie erreichten den Gipfel des zweiten Hügels; dann führte der Pfad abwärts durch ein mit mannshohem Gestrüpp bestandenes Gelände. Er verengte sich, und dann sah Louis, wie Jud und Ellie unter einem Bogen aus altem, verwittertem Holz durchgingen. Daraufstand in verblichener schwarzer Farbe, kaum noch lesbar, das Wort TIERFRIEDHOF.
    Rachel und er tauschten einen belustigten Blick und traten unter den Bogen; jeder von ihnen streckte instinktiv eine Hand aus und ergriff die des anderen, als wären sie hierher gekommen, um zu heiraten.
    Zum zweiten Mal an diesem Morgen wurde Louis von Erstaunen gepackt.
    Hier war der Boden nicht mit Nadeln übersät. Vor ihnen lag ein nahezu runder, gemähter Kreis von vielleicht zwölf Metern Durchmesser. An drei Seiten wurde er von dichtem, ineinander verwachsenem Gestrüpp begrenzt, an der vierten von einem alten Windbruch, umgestürzten Bäumen, die wie Mikadostäbchen übereinanderlagen, einem Gewirr, das unheildrohend und gefährlich aussah. Ein Mann, der versucht, sich seinen Weg da durch zu bahnen oder darüber hinwegzuklettern, täte gut daran, ein stählernes Suspensorium zu tragen, dachte Louis. Die Lichtung war mit Gedenktafeln übersät, offensichtlich von Kindern aus Material angefertigt, das sie sich gerade beschaffen oder erbetteln konnten -- Kistenlatten, Abfallholz, flachgeklopftem Dosenblech. Und dennoch -- vor dem Hintergrund aus niedrigem Gebüsch und kümmerlichen Bäumen, die hier um Lebensraum und Sonnenlicht kämpften, schien schon die Tatsache ihrer unbeholfenen Anfertigung und der Umstand, daß Menschen verantwortlich waren für das, was hier zu sehen war, eine gewisse Symmetrie zu betonen. Der Baumbestand ringsum verlieh dem Ort eine ganz merkwürdige Abgründigkeit, einen Zauber, der nicht christlich war, sondern heidnisch.
    »Hübsch«, sagte Rachel, aber es klang nicht, als meinte sie es ehrlich.
    Louis setzte Gage ab und hob ihn auf dem Tragegestell heraus, damit er herumkrabbeln konnte. Sein Rücken seufzte vor Erleichterung.
    Ellie lief von einer Gedenktafel zur anderen und äußerte sich lautstark. Louis folgte ihr, während Rachel Gage im Auge behielt. Jud setzte sich mit untergeschlagenen Beinen hin, den Rücken an einen großen Stein gelehnt, und rauchte.
    Louis bemerkte, daß der Platz nicht nur ein Gefühl von Ordnung vermittelte -- die Gedenktafeln waren in grob konzentrischen Kreisen angeordnet.
    KATER SMUCKY stand auf einem Kistenbrett. Die Handschrift war kindlich, aber ordentlich. ER WAR GEHORSAM. Und darunter: 1971-1974. Ein Stück weiter im

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