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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aber sie sind verwittert. Hier habe ich meinen ersten Hund begraben. Spot. Er starb 1914, in dem Jahr, als der Erste Weltkrieg begann, an Altersschwäche.«
    Wie betäubt von dem Gedanken, hier auf einem Friedhof zu stehen, der weiter zurückreichte als viele Friedhöfe für Menschen, wanderte Louis dem Zentrum entgegen und betrachtete mehrere der Gedenktafeln. Keine von ihnen war lesbar, und die meisten waren fast wieder zu einem Teil des Waldbodens geworden. Eine war fast vollständig vom Gras überwuchert, und als er sie wieder aufrichtete, gab die Erde einen kleinen, gequälten Protestlaut von sich. Augenlose Käfer krabbelten über die Stelle, die er freigelegt hatte. Er fühlte einen leichten Schauder und dachte Boot Hill für Tiere. Wie der alte Friedhof in Dodge City, wo die Desperados in ihren Stiefeln starben. Ich weiß nicht recht, ob mir das wirklich gefällt.
    »Wie weit gehen diese Gräber zurück?«
    »Ja, das weiß ich auch nicht genau«, sagte Jud und schob die Hände tief in die Taschen. »Es gab diesen Platz natürlich schon, als Spot starb. Ich hatte damals eine ganze Horde von Freunden. Sie halfen mir, die Grube für Spot zu graben. Das ist hier nicht gerade leicht -- der Boden ist mächtig steinig und schwer zu lockern. Und manchmal habe ich auch den anderen geholfen.« Er zeigte mit einem schwieligen Finger hierhin und dorthin. »Da liegt Pete LaVasseurs Hund, wenn ich mich recht erinnere, und da sind in einer Reihe drei von Albion Croatleys Stallkatzen begraben. Der alte Fritchie hielt Brieftauben. Ich und Al Groatley und Carl Hannah haben eine von ihnen begraben, die ein Hund erwischt hatte. Dort liegt sie.« Er hielt nachdenklich inne. »Ich bin der letzte von ihnen, der noch übrig ist. Alle anderen von der Horde sind gestorben. Alle weg.«
    Louis sagte nichts. Er stand nur da, die Hände in den Taschen, und betrachtete die Tiergräber.
    »Steiniger Boden«, wiederholte Jud. »Hier kann man wohl ohnehin nichts pflanzen als Leichen.«
    Am Rande der Lichtung begann Gage leise zu weinen, und Rachel kam mit dem Jungen auf der Hüfte herüber. »Er hat Hunger«, sagte sie. »Ich glaube, Lou, wir sollten uns auf den Heimweg machen.« Ja, bitte, flehten ihre Augen.
    »Gut«, sagte er, schulterte den Gerrypack und drehte sich um, damit Rachel Gage hineinsetzen konnte. »Ellie! He, Ellie, wo steckst du?«
    »Da drüben«, sagte Rachel und deutete zum Windbruch hinüber. Ellie turnte darauf herum, als wäre er eine ausgefallene Variante des Klettergerüsts in der Schule.
    »Ellie, komm sofort da herunter!« rief Jud bestürzt. »Du brauchst nur einen Fuß ins falsche Loch zu stecken, und wenn einer dieser alten Bäume verrutscht, hast du einen gebrochenen Knöchel.«
    Ellie sprang herab. »Au!« schrie sie und rieb sich die Hüfte, als sie auf sie zukam. Die Haut war nicht verletzt, aber ein steifer, toter Ast hatte ihr die Hose zerrissen.
    »Da siehst du, was ich meine«, sagte er und fuhr ihr durchs Haar. »Selbst jemand, der sich in den Wäldern auskennt, würde nicht versuchen, über einen solchen alten Windbruch hinwegzuklettern, wenn ein Weg darum herumführt. Bäume, die so auf einen Haufen zusammenstürzen, werden gemein. Sie beißen dich, wenn sie können.«
    »Wirklich?« fragte Ellie.
    »Wirklich. Sie liegen übereinander wie Strohhalme. Und wenn du zufällig auf den richtigen trittst, prasseln sie womöglich herunter wie eine Lawine.«
    Ellie sah zu Louis hin. »Stimmt das, Daddy?«
    »Ich denke schon.«
    »Igitt!« Sie warf einen Blick zurück auf den Windbruch und rief: »Ihr habt meine Hose zerrissen, ihr bösen Bäume!«
    Die drei Erwachsenen lachten. Der Windbruch lachte nicht. Er lag nur verblichen in der Sonne, wie er das seit Jahrzehnten getan hatte. Für Louis sah er aus wie das Skelett eines vor langer Zeit gestorbenen Ungeheuers, eines Geschöpfes, das vielleicht einstmals von einem edlen und tapferen Ritter erschlagen worden war. Die Gebeine eines Drachen, zu einem riesigen Grabhügel aufgeschichtet.
    Schon in diesem Moment kam ihm der Gedanke, daß etwas allzu Zweckdienliches an diesem Totholz war und an seiner Lage zwischen dem Tierfriedhof und den Wäldern dahinter, den Wäldern, die Jud später dann und wann beiläufig ›die Indianerwälder‹ nannte. Gerade seine Zufälligkeit schien zu künstlich, zu vollkommen für ein Werk der Natur. Er...
    Da packte Gage eines seiner Ohren und verdrehte es, fröhlich krähend, und Louis vergaß den Windbruch und den Wald hinter dem

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