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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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er ihr bekannt vorkam. Ihr war, als hätte sie ihn vor Monaten oder Jahren in Verbindung mit etwas Entsetzlichem gehört, und die nervöse Erregung blieb. Sie spürte etwas -- etwas Schwangeres, etwas Geschwollenes, das darauf wartete, zu bersten. Etwas Schreckliches, das abgewendet werden mußte. Aber was? Was?
    »Es ist bestimmt alles in Ordnung«, erklärte sie Ellie. »Gehen wir jetzt zu den Großeltern?«
    »Ja«, sagte Ellie tonlos.
    Eine Puertoricanerin betrat die Damentoilette und schimpfte mit ihrem kleinen Sohn. Im Schritt seiner Bermudashorts war ein nasser Fleck, und Rachel fühlte sich mit lähmender Eindringlichkeit an Gage erinnert. Der frische Schmerz wirkte auf sie wie Novocain -- er betäubte ihre Unruhe.
    »Komm«, sagte sie. »Wir rufen Daddy von Grandpas Haus aus an.«
    »Er hatte Shorts an«, sagte Ellie plötzlich mit einem Blick auf den kleinen Jungen.
    »Wer, Liebling?«
    »Paxcow«, sagte Ellie. »In meinem Traum hatte er rote Shorts an.«
    Wieder trat der Name für einen Augenblick in den Vordergrund ihres Bewußtseins, und Rachel empfand wieder diese entkräftende Furcht... und dann entglitt er ihr wieder.
    Es gelang ihnen nicht, an die Gepäckausgabe heranzukommen; Rachel sah nur den Hut ihres Vaters, einen Hut mit einer Feder. Dory Goldman hielt an der Wand zwei Sitze frei und winkte. Rachel ging mit Ellie zu ihr.
    »Geht es dir jetzt besser, Kleines?« fragte Dory.
    »Ein bißchen«, sagte Ellie. »Mommy...«
    Sie wandte sich zu Rachel und verstummte. Rachel saß kerzengerade da, die Hand vor dem Mund, mit weißem Gesicht. Sie hatte es. Es war über sie gekommen wie ein grauenhafter Schlag. Natürlich hätte es ihr sofort einfallen müssen, aber sie hatte natürlich versucht, es zu verdrängen.
    »Mommy?«
    Rachel wandte sich langsam ihrer Tochter zu. Ellie konnte die Sehnen in ihrem Hals knirschen hören. Sie nahm die Hand vom Mund.
    »Hat der Mann in deinem Traum gesagt, wie er mit Vornamen heißt, Eileen?«
    »Mommy, was ist...«
    »Hat der Mann in deinem Traum gesagt, wie er mit Vornamen heißt?«
    Dory sah ihre Tochter und ihre Enkelin an, als hätten beide den Verstand verloren.
    »Ja, aber ich weiß ihn nicht mehr... Mommy, du tust mir weh!«
    Rachel blickte herunter und sah, daß ihre Hand Ellies Unterarm umkrampfte wie ein Schraubstock.
    »Hieß er Victor?«
    Ellie atmete hörbar ein. »Ja, Victor! Er hat gesagt, er hieße Victor! Mommy, hast du auch von ihm geträumt?«
    »Nicht Paxcow«, sagte Rachel. »Pascow.«
    »Hab ich doch gesagt. Paxcow.«
    »Rachel, was ist los?« fragte Dory. Sie ergriff Rachels Hand und erschrak über ihre Kälte. »Und was ist mit Eileen los?«
    »Es ist nicht Eileen«, sagte Rachel. »Es ist Louis, glaube ich. Irgendetwas stimmt nicht mit Louis. Oder irgendetwas steht ihm bevor. Bleib bei Ellie, Mom. Ich will zu Hause anrufen.«
    Sie stand auf, ging zu den Telefonzellen und suchte in ihrer Tasche nach einem Vierteldollar. Sie verlangte ein R-Gespräch, aber es meldete sich niemand. Das Telefon läutete und läutete.
    »Wollen Sie es später noch einmal versuchen?« fragte die Vermittlung.
    »Ja«, sagte Rachel und legte auf.
    Dann stand sie da und starrte das Telefon an.
    Er hat gesagt, er wäre geschickt worden, um zu warnen, aber er könnte nicht eingreifen. Er hat gesagt, er wäre... er stünde Daddy nahe, weil sie zusammen waren, als seine Seele ent-ent... ich weiß es nicht mehr!
    »Entkörperlicht wurde«, flüsterte Rachel. »Oh, mein Gott, war das das Wort?«
    Sie versuchte ihre Gedanken festzuhalten, sie zu ordnen. Tat sich da etwas -- etwas, das über ihre natürliche Trauer und über diesen merkwürdigen Flug über den halben Kontinent -- fast schon eine Flucht -- hinausging? Was wußte Ellie von dem jungen Mann, der an Louis' erstem Arbeitstag gestorben war?
    Nichts, erwiderte ihr Verstand unerbittlich. Du hast es ihr vorenthalten, wie du versucht hast, ihr alles vorzuenthalten, was mit dem Tod zu tun hat. Selbst mit dem möglichen Tod ihres Katers, erinnerst du dich nicht an diesen unvernünftigen, törichten Streit, den wir an jenem Tag in der Küche hatten? Du hast es ihr vorenthalten. Weil du damals Angst hattest. Und jetzt hast du auch Angst. Er hieß Pascow, Victor Pascow, und wie verzweifelt ist die Lage jetzt, Rachel? Wie schlimm steht es? Was in Gottes Namen geschieht jetzt?
    Ihre Hände zitterten so heftig, daß es ihr erst beim dritten Versuch gelang, den Vierteldollar wieder einzuwerfen. Diesmal rief sie die Krankenstation

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