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Friedhof der Kuscheltiere

Friedhof der Kuscheltiere

Titel: Friedhof der Kuscheltiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der Universität an und erreichte Joan Charlton, die -- ein wenig verblüfft -- das Gespräch annahm. Nein, sie hätte Louis nicht gesehen und hätte sich auch gewundert, wenn er erschienen wäre. Dann sprach sie Rachel noch einmal ihr Beileid aus. Rachel dankte ihr und bat sie dann, Louis auszurichten, er möchte bei ihren Eltern anrufen, wenn er käme. Ja, er hätte die Nummer, erwiderte sie auf Joan Charltons Frage, weil sie der Schwester nicht sagen wollte, daß ihre Eltern einen halben Kontinent entfernt wohnten (aber das wußte sie vermutlich ohnehin; wahrscheinlich entging ihr kaum etwas).
    Zitternd und fiebrig legte sie den Hörer auf.
    Sie hat Pascows Namen irgendwo gehört, das ist alles. Mein Gott, ein Kind wächst doch nicht in einem Glaskasten auf wie -- wie ein Hamster oder sonst ein Tier. Vielleicht hat sie im Radio davon gehört. Oder ein Kind in der Schule hat von ihm erzählt, und ihr Gedächtnis hat seinen Namen gespeichert. Sogar das Wort, das sie nicht aussprechen konnte -- wahrscheinlich war es ein Zungenbrecher wie »entkörperlicht« oder »Entkörperlichung«. Das beweist gar nichts -- außer vielleicht, daß das Unterbewußtsein genau die Art klebriger Fliegenfänger ist, wie es immer behauptet wird.
    Sie mußte an eine Psychologievorlesung im College denken, in der der Lehrer gesagt hatte, unter den richtigen Umständen wäre das Gedächtnis imstande, den Namen jedes Menschen wieder auftauchen zu lassen, den man je kennengelernt hatte, jede Mahlzeit, die man gegessen hatte, das Wetter, das an jedem Tag eines Lebens geherrscht hatte. Er hatte diese unglaubliche Bemerkung mit einem anschaulichen Bild illustriert -- der menschliche Verstand, erklärte er, wäre ein Computer mit einer kaum noch vorstellbaren Menge von Speichereinheiten -- nicht 16 K oder 32 K oder 64 K, sondern vielleicht einer Milliarde oder sogar tausend Milliarden K. Und wie groß war die Speicherkapazität jedes einzelnen dieser organischen Chips? Das wußte niemand. Aber sie wären so zahlreich, erklärte er ihnen, daß es nicht nötig war, sie zum Wiedergebrauch zu löschen. Im Gegenteil -- das Bewußtsein mußte einen Teil davon abschotten, um sich vor der Überfülle an Informationen zu schützen. »Wenn in zwei oder drei Gedächtniszellen der gesamte Inhalt der Encyclopedia Britannica gespeichert wäre«, hatte der Psychologielehrer gesagt, »dann wären Sie möglicherweise nicht imstande, sich zu erinnern, wo Sie ihre Strümpfe aufbewahren.«
    Daraufhin hatte die Klasse pflichtgemäß gelacht.
    Aber dies ist keine Psychologievorlesung im Licht heller Leuchtstoffröhren, bei der ein beruhigendes Vokabular an der Tafel steht und ein supergescheiter Professor versucht, die letzte Viertelstunde einer Vorlesung mit Anstand hinter sich zu bringen. Irgendetwas Schlimmes steht bevor, und du weißt es. Du spürst es. Ich weiß nicht, was es mit Pascow zu tun hat oder mit Gage oder mit Church, aber mit Louis hat es etwas zu tun. Aber was?
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke, der sie wie ein Schwall kalten Wassers überfiel. Sie nahm den Hörer wieder ab und tastete in der Geldrückgabe nach ihrem Vierteldollar. Dachte Louis an Selbstmord? Hatte er sie deshalb nahezu zur Tür hinausgedrängt? Hatte Ellie vielleicht -- oh, diese verdammte Psychologie! Hatte sie eine Intuition, eine Art zweites Gesicht gehabt?
    Diesmal meldete sie ein R-Gespräch mit Jud Crandall an. Es läutete fünfmal -- sechsmal -- siebenmal. Sie wollte gerade wieder auflegen, als er sich, ein wenig außer Atem, meldete: »Hallo?«
    »Jud! Jud, hier ist...«
    »Moment, Madam«, sagte die Vermittlung. »Nehmen Sie ein R-Gespräch von Mrs. Louis Creed an, Sir?«
    »Werde ich wohl«, sagte Jud.
    Es dauerte einen Augenblick, bis die Vermittlung Juds Akzent ins Amerikanische übersetzt hatte. »Danke. Madam, bitte sprechen Sie.«
    »Jud, haben Sie Louis heute schon gesehen?«
    »Heute? Ich glaube nicht, Rachel. Aber ich war heute morgen in Brewer zum Einkaufen. Und jetzt war ich hinter dem Haus und habe im Garten gearbeitet. Warum?«
    »Ach, vielleicht hat es nichts zu besagen -- aber Ellie hatte im Flugzeug einen Alptraum, und ich wollte sie beruhigen, wenn es möglich ist.«
    »Im Flugzeug?« Juds Stimme klang plötzlich ein wenig schärfer. »Wo sind Sie jetzt, Rachel?«
    »In Chicago«, sagte sie. »Wir sind mit meinen Eltern zurückgeflogen, um eine Weile bei ihnen zu bleiben.«
    »Louis ist nicht mitgeflogen?«
    »Er will am Wochenende nachkommen«, sagte Rachel;

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