Friedhof der Kuscheltiere
als hätte er den ganzen sonnigen Morgen nach Thanksgiving nur darauf gewartet, daß Church zurückkehrte; als hätte ein entlegener, primitiverer Teil seines Verstandes schon immer gewußt, was die nächtliche Wanderung zum Begräbnisplatz der Micmac zu bedeuten hatte.
Er legte den Hammer behutsam nieder, spie die Nägel, die er im Mund gehalten hatte, in seine Handfläche zurück und ließ sie in die Tasche seiner Arbeitsschürze fallen. Dann trat er zu Church und hob ihn auf.
Lebendgewicht, dachte er in einer Art angewiderter Erregung. Er wiegt, was er gewogen hat, bevor er überfahren wurde. Das ist Lebendgewicht. Im Sack war er schwerer. Er war schwerer, als er tot war.
Diesmal machte sein Herz eine stärkere Bewegung -- fast einen Sprung --, und für einen Moment schien die Garage vor seinen Augen zu verschwimmen.
Church legte die Ohren zurück und gestattete, daß Louis ihn auf dem Arm hielt. Er trug ihn in den Sonnenschein hinaus und setzte sich auf die Hinterstufen. Jetzt versuchte der Kater zu entkommen, aber Louis streichelte ihn und hielt ihn auf seinem Schoß fest. Jetzt schien sein Herz sich regelmäßig zu bewegen.
Er tastete sanft in die dicke Fellkrause um Churchs Hals, weil ihm einfiel, wie widerlich knochenlos Churchs Kopf sich am vergangenen Abend über dem gebrochenen Genick bewegt hatte. Er fühlte nichts als straffe Muskeln und Sehnen. Dann hob er Church hoch und betrachtete sein Maul genauer. Was er dort sah, veranlaßte ihn, den Kater schnell auf den Rasen zu setzen, die Augen zu schließen und eine Hand vors Gesicht zu schlagen. Die ganze Welt um ihn verschwamm, und sein Kopf war erfüllt von einem zittrigen, übelkeiterregenden Schwindelgefühl -- einem Gefühl, das er vom bitteren Ende langer Sauftouren her kannte, kurz bevor das Erbrechen einsetzte.
An Churchs Maul klebte getrocknetes Blut, und an seinen langen Schnurrhaaren hingen zwei winzige Fetzen von grünem Kunststoff.
Fetzen vom Müllbeutel.
Wir können uns weiter über dieses Thema unterhalten, und dann werden Sie es besser verstehen...
Oh Gott, er verstand schon jetzt weit mehr, als ihm lieb war.
Wenn das so weitergeht, dachte Louis, dann verstehe ich so viel, daß ich für die nächste Irrenanstalt reif bin.
Er ließ Church ins Haus, holte seinen blauen Napf und öffnete eine Dose Katzenfutter mit Thunfisch und Leber. Während er das graubraune Zeug aus der Dose löffelte, rieb sich Church schnurrend an Louis' Knöcheln. Die Berührung bewirkte, daß er eine Gänsehaut bekam; er mußte die Zähne zusammenbeißen, um Church keinen Fußtritt zu versetzen. Das Fell seiner Flanken fühlte sich irgendwie zu glatt an, zu dicht -- mit einem Wort, ekelerregend. Am liebsten würde er Church nie wieder berühren.
Als er sich bückte und den Napf auf den Fußboden setzte, strich Church an ihm vorbei, um zum Napf zu gelangen, und Louis hätte schwören können, daß er saures Erdreich roch -- als wäre es ins Fell des Katers eingerieben.
Er trat zurück und sah zu, wie der Kater fraß. Er hörte ihn schmatzen -- hatte Church früher beim Fressen auch so geschmatzt? Vielleicht hatte er es getan, und Louis hatte nur nicht darauf geachtet. Jedenfalls war es ein unangenehmes Geräusch. Widerlich, hätte Ellie gesagt.
Unvermittelt wendete er sich ab und ging nach oben, anfangs langsam, aber auf dem oberen Korridor rannte er fast. Er zog sich aus, warf seine Kleider in den Wäscheschacht, obwohl er einschließlich der Unterwäsche am Morgen alles frisch angezogen hatte. Er ließ sich ein Bad ein, so heiß, wie er es gerade aushalten konnte, und stieg hinein. Um ihn herum stieg Dampf auf, und er spürte, wie das heiße Wasser seine Muskeln lockerte. Auch seinen Kopf schien das Bad zu lockern. Als das Wasser ab zukühlen begann, fühlte er sich halbwegs wieder in Ordnung.
Der Kater ist eben zurückgekommen. Kein Grund zur Aufregung.
Alles war nur ein Irrtum gewesen. War ihm nicht gestern abend selbst der Gedanke gekommen, daß Church für ein Tier, das von einem Auto angefahren worden war, erstaunlich heil und unverletzt aussah?
Denk an all die Waldmurmeltiere und Katzen und Hunde, die du unterwegs auf den Straßen gesehen hast, dachte er, mit zermalmtem Körper und heraushängenden Eingeweiden. Tech-ni-co-lor, wie es in London Wainwrights Lied vom toten Skunk heißt.
Alles war völlig eindeutig. Church war so hart getroffen worden, daß er betäubt war. Der Kater, den er zu Juds altem Begräbnisplatz hinaufgetragen hatte,
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