Frisch verlobt
völlig unerwartet. „Vielleicht habe ich tatsächlich die Vergangenheit in einem besseren Licht erscheinen lassen, als sie war. Serena und ich haben nicht absichtlich damit angefangen, wir wollten nur verhindern, dass Brittany das Gefühl bekam, sie wäre für uns nicht etwas ganz Besonderes oder würde uns sogar im Weg stehen.“
Nicole war beeindruckt, weil er bereit war, dies mit ihr zu diskutieren und dabei auch ihren Standpunkt zu sehen. „Vielleicht gibt es ja auch so etwas wie einen Mittelweg. Du könntest gelegentlich einmal eine Geschichte einflechten, die nicht alles ganz so leicht und wundervoll darstellt. Es sei denn, es war so.“
Er schüttelte den Kopf. „Wir waren zu jung, als wir schon Sex miteinander hatten. Ich hatte eine Menge Angebote von Universitäten, um Football zu spielen. Für Oklahoma hatte ich mich bereits entschieden, bevor wir feststellten, dass Serena schwanger war. Dort gab es nicht nur einen fantastischen Coach, auch die Unterstützung durch die Alumni war außergewöhnlich gut.“
„Alles umsonst?“, fragte sie, denn sie wusste, dass das Leben für die Götter des Football in einer Stadt, die sich dem Football verschrieben hatte, anders war.
„So ungefähr. Damals waren die Vorschriften noch nicht so streng. Geld haben wir zwar nicht bekommen, aber viele Vergünstigungen. Es gab immer jemanden, der auf das Baby aufgepasst hat, wenn es nötig war. Deshalb konnte Serena zu all meinen Spielen mitkommen, auch wenn es weit weg war. Mehrere Familien haben uns in den Ferien mitgenommen. Wir hatten Zugang zu sehr guten Ärzten, und immer schaute jemand vorbei und brachte Lebensmittel mit oder auch selbst gekochtes Essen.“
„Klingt gut.“
„Die Männer waren prima, aber letztlich waren es ihre Frauen, die uns richtig geholfen haben. Sie waren wirklich nett zu Serena, aber trotzdem war es hart. Wir waren weg von zu Hause, und ihre Eltern haben ihr nie verziehen oder auch nur verstanden, was wir taten. Sie hatten ihrer einzigen Tochter den Rücken zugekehrt, und das hat sie bis zu ihrem Tod belastet.“
Nicole dachte an Jesse. Würde auch ihre Schwester einmal sagen, dass sie ihr den Rücken zugekehrt hätte? Nicole war sich nicht sicher. Unklar war ihr auch, wie sie selbst diese Situation beschreiben würde.
„Das Schlimmste für sie war die Einsamkeit“, fuhr er fort. „Für mich war das Schlimmste, dass ich die ganze Zeit so verdammt viel Angst hatte.“
„Angst wovor?“
„In erster Linie davor, dass ich mich verletzen könnte. Wir hatten dieses Freifahrtticket schließlich nur, weil ich einen Football besser als andere fangen und dann wie der Wind rennen konnte. Wäre ich ausgefallen, wäre alles vorbei gewesen. Und was dann? Ich glaube, ich habe nicht ein einziges Mal tief durchatmen und mich entspannen können, bis zu dem Tag, als ich den Scheck für mein Antrittsgeld in der NFL bei der Bank einreichen konnte.“
In mancherlei Hinsicht hatte Nicole ihn als übermenschlich angesehen. In Wirklichkeit aber war Hawk dann doch wie jeder andere auch.
„Ihr habt es geschafft“, sagte sie.
„Das haben wir, aber ich gebe zu, dass es Zeiten gab, in denen Serena und ich so miteinander gestritten haben, dass ich mir wünschte, sie wäre niemals schwanger geworden. Und das ist genau das, wovon Brittany nichts wissen soll. Nichts von diesen schlimmen Zeiten.“ Er trank einen Schluck Wein. „Aber ich verstehe, was du meinst, wenn du sagst, dass es alles viel zu leicht klingt.“
„Das freut mich.“ Sie beugte sich zu ihm vor. „Ich wollte mich auch nicht einmischen.“
„Ich weiß.“
„Ich halte dich für einen tollen Vater.“
„Danke.“ Er griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. „Was ich über Jesse gesagt habe, tut mir leid. Das war wirklich daneben.“
Sie lächelte. „Ist schon okay.“
„Wie es aussieht, ist Brittany für mich ein sensibles Thema.“
„Sie ist deine Tochter. Du empfindest ihr gegenüber wirkliche Verantwortung. Glaube mir, das kann ich verstehen, denn ich bin als Königin der Verantwortungen groß geworden.“
Seine Hand lag warm auf ihrem Arm, und er streichelte ihre Haut.
„Deine Eltern haben dir viel zu viel aufgeladen. Das kann ich auch bei meinen Jungs beobachten. Wenn ein Kind irgendeine Arbeit erledigen kann, wird ihm sogleich etwas Schwierigeres übertragen. Die Eltern merken gar nicht, dass das zu weit gehen kann.“
Sie wusste sein Verständnis zu schätzen. „Manchmal war es mir egal, aber manchmal habe
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