Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
Vom Netzwerk:
zurückzutreiben.
    Marlies und der Regisseur schnappen sich alle Hefte und rennen davon. Die Landfrauen, die mittlerweile begriffen haben, dass diese Hefte ein spannendes Geheimnis bergen, hinterher. Vorbei am Feuerwehrhaus, vorbei an Wilmas Gartenzaunposten, an Zitterkalles Trecker, vorbei an den Fertighäusern des Neubaugebietes und an Elsbeth Merken, Oma Ellerbrock und Gunde Helmrichs, die gerade auf einer Bank Klönschnack halten und dem rasanten Paar anerkennend zunicken. Zwischendurch bringt Marlies einen Teil der rasenden Landfrauen auf eine falsche Fährte, indem sie das Deckblatt eines Heftes in die Güllegrube von Bauer Harms schleudert. Doch Monique und ihre Gefolgsdamen lassen sich nicht so leicht abschütteln. Der Regisseur wundert sich, wie schnell Frauen auf High-Heels laufen können und wie lange sie durchhalten, trotz sicherlich hinderlicher Abendkleider, zum Teil mit Schleppen, die sich in den zahlreichen Pfützen vollgesogen und dadurch an Gewicht gewonnen haben.
    In einem Maisfeld entkommen Marlies und der Regisseur ihren Verfolgerinnen. Völlig außer Atem lassen sie sich auf die Erde sinken.
    »Sind Sie die Autorin der Steckrübe ?«, fragt der Regisseur.
    »Ja«, sagt Marlies, denn vor diesem Mann möchte sie keine Geheimnisse haben. Das ist keiner, mit dem man Spielchen spielt , denkt sie erleichtert, weil ihr trotz aller Beobachtungen und Auskundschaftungen noch immer nicht klar geworden ist, wie diese Spielchen genau funktionieren.
    »Wie sind Sie eigentlich auf den Titel gekommen? Die Steckrübe – das klingt so erdig, verborgen, so unglaublich tiefgründig ...«
    Marlies lächelt geschmeichelt und verlegen. Gerade hat sie sich überlegt, ob Der Maiskolben vielleicht ein viel besserer Buchtitel gewesen wäre. Doch stattdessen sagt sie: »Ach, wissen Sie, ich esse so gerne Steckrüben.«
    »Ich auch«, erwidert er. »Ein völlig unterschätztes Gemüse.«
    »Wie Schwarzwurzeln«, haucht Marlies. Es fällt ihr ganz leicht, etwas zu sagen. Mit ihm könnte sie über alles reden, glaubt sie.
    »Ich möchte Sie zum Essen einladen. Ich werde für Sie kochen, ich habe ein großartiges geheimes Rezept für Steckrübeneintopf von meiner Uroma geerbt. Und danach könnten wir Brüderschaft trinken und dann werden wir uns vielleicht ...«
    Marlies vollendet den Satz für ihn: »... küssen. Aber warum denn so lange warten? Die Einladung nehme ich natürlich trotzdem gerne an.«
    Er guckt sie leicht verwirrt an. War das jetzt eine Aufforderung? War es wohl, oder? Könnte man das auch anders verstehen? Seine Exfreundin war nie so direkt, die ist immerhin Schauspielerin, also hochkompliziert. Er hat eigentlich nie richtig verstanden, was sie wollte, hatte immer das Gefühl, alles falsch zu machen. Das hier scheint leichter zu sein, unbeschwerter.
    Er küsst Marlies.
    Marlies wartet darauf, dass etwas Schlimmes passiert. Dass ein Meteorit vom Himmel fällt, direkt auf den Regisseur, dass ein Monster auftaucht und ihn verschleppt, dass er sich in einen Frosch verwandelt.
    Sie küssen sich weiter.
    Nichts passiert. Jedenfalls nichts Schlimmes. Der Regisseur bleibt, wo er ist, er wagt sich sogar noch weiter vor. Und wenn es nicht angefangen hätte zu regnen, säßen sie wohl immer noch im Maisfeld.
    Am nächsten Morgen setzt sich der Regisseur neben Marlies im Bett auf und sieht sie lange an. »Wenn die Dreharbeiten in ein paar Tagen vorbei sind, werde ich hier verschwinden«, sagt er.
    Marlies schnürt es die Kehle zu. Sie haben eine verliebte Nacht miteinander verbracht, geredet, sich geküsst, sich stundenlang in die Augen gestarrt und dabei nichts gesagt und sich ganz eins mit dem Universum gefühlt. Marlies fing gerade an zu denken, dass die Welt doch gerecht sein kann. Bis zu diesem Satz.
    »Und ich möchte, dass du mit mir kommst«, sagt der Regisseur.
    »Das ...« Marlies zögert. »Das kann ich nicht.«
    »Doch, das kannst du. Ich habe eine große Wohnung, in der ich mich allein einsam fühle. Schreiben könntest du dort auch. Es wäre alles ganz einfach. Ich sehe doch: Du musst raus hier. Dieses Enge, jeder kennt sich, alle wissen alles über die Nachbarn, das ist doch nicht auszuhalten. Hier gibt es ja noch nicht mal ein Kino. Ich komme auch vom Dorf, ich weiß, worüber ich rede. Das hält dich gefangen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie herausfinden, dass du die geheimnisvolle Skandalautorin bist, und ich will nicht wissen, was dann los ist.« Der Regisseur guckt ernsthaft

Weitere Kostenlose Bücher