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Fröhliche Wiederkehr

Fröhliche Wiederkehr

Titel: Fröhliche Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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des Hauses persönlich, der ihre schlichte Bestellung entgegennahm, sie nun aber nicht mit dem auf der Speisekarte ausgesuchten Rehragout, sondern mit ausgesuchten Delikatessen und den edelsten Kreszenzen bewirtete und Onkel Fritz dabei so verklärt ansah, daß er befürchtete, von dem Hotelier für einen inkognito reisenden Prinzen des kaiserlichen Hauses gehalten zu werden. Und als er darauf drang, daß der Mann ihm endlich erklären solle, was ihn zu seiner ungewöhnlichen Behandlung solch einfacher Gäste, wie sie es nun einmal seien, veranlasse, da sagte er mit seltsam bewegter Stimme: »Herr Major, erkennen Sie mich nicht?« Nein, Onkel Fritz konnte sich bei bestem Willen und bei angestrengtestem Kramen in den Schubladen seines Gedächtnisses nicht daran erinnern, diesem Herrn je begegnet zu sein.
    »Erkennen Sie mich wirklich nicht, Herr Major?«
    »Nein, wirklich nicht, obwohl ich mir alle Mühe gebe.«
    »Nun, so will ich es Ihnen sagen. Ich bin jener Piccolo aus dem Hotel Excelsior in Berlin, der vor zwanzig Jahren das Unglück hatte, Ihnen eine volle Sauciere über Ihren neuen Uniformrock zu gießen. Der Rayonchef wollte mich dafür ohrfeigen, aber Sie, Herr Major, damals ein junger Leutnant, traten dazwischen und schenkten mir, dem weinenden kleinen Piccolo, zur Tröstung ein goldenes Zehnmarkstück, das ich seitdem als Berloque an meiner Uhrkette trage!« Und damit schlug er seinen Gehrock auseinander und zeigte Onkel Fritz das heilige Erinnerungsstück. Daß die Herren nicht für einen Abend, sondern für eine Woche seine Gäste bleiben mußten, versteht sich von selbst.
    Ein goldenes Zehnmarkstück, weil ein Piccolo ein paar Tränen vergossen hatte! Ich überlegte lange, was ich ihm über den Anzug gießen könnte, um auch zu solch einem fürstlichen Geschenk zu kommen, aber Onkel Fritz schien über seine großzügigen Leutnantszeiten hinausgewachsen zu sein, und so unterließ ich es lieber. — Vater hörte sich solche Geschichten von Onkel Fritz mit starrem Gesicht und verkniffenem Mund an, aber wenn wir dann wieder oben in unserer Wohnung waren, ging er eine halbe Stunde lang im Eßzimmer wie ein Löwe im Käfig hin und her, stieß die Luft in kurzen Stößen durch die Nase und knurrte: Der und ein goldenes Zehnmarkstück — ausgerechnet er! — nein, das mach ich nicht mehr mit! Ich bin ein friedfertiger Mensch, aber da geht mir mal der Gaul durch!
    Mochten die andern im Beginn des neuen Jahres ein böses Vorzeichen sehen, ich konnte nichts Unheilvolles entdecken, im Gegenteil, ich fand den turbulenten Beginn sehr aufregend und freute mich darauf, am ersten Schultag nach dem Dreikönigsfest mit meiner Geschichte von der großen Wassernot bei den Klassenkameraden Eindruck zu machen, aber ich geriet ein wenig ins Hintertreffen, denn auch bei Berdings war die Feuerwehr vorgefahren, aber nicht wegen eines lumpigen Rohrbruchs, sondern weil der Weihnachtsbaum in Flammen aufgegangen war und Gardinen und Möbel lichterloh gebrannt hatten. Obwohl wir nun am anderen Ende der Stadt wohnten, ging ich weiter aufs Fridericianum zur Schule. Da ich zu Fuß länger als eine Stunde hätte laufen müssen, bekam ich eine Monatskarte für die Straßenbahn, die für den ganzen Tag und für alle Linien Geltung besaß. Meine Leidenschaft fürs Straßenbahnfahren hatte sich noch nicht verloren, ich teilte sie mit vielen Jungen aus verschiedenen Schulen, die gleich mir lange Wege zurückzulegen hatten und deshalb ebenfalls Monatskarten besaßen. Wenn wir die Hausaufgaben hinter uns gebracht hatten, fuhren wir auf allen Linien kreuz und quer durch die Stadt, bis nach Ponarth hinaus und von dort nach Maraunenhof und vom Königstor bis zu den Hammerteichen. Wir halfen den Schaffnern beim Umstecken der Zielschilder und beim Umlegen der gefederten Stange, die dem Motor den Strom zuführte. Es gab gutmütige Fahrer, die es uns erlaubten, die Warnsignale abzugeben oder auf den freien, unkontrollierten Strecken sogar ein bißchen an der Kurbel zu drehen, die das Tempo beschleunigte oder drosselte. Und als ich entdeckte, daß manche Schaffner gegen eine kleine Bestechung in Form von Zigarren oder Tabak nichts einzuwenden hatten, machte ich es wie die anderen Jungen und ließ aus Vaters Zigarrenkisten hin und wieder einige Zigarren verschwinden.
    Natürlich in der Hoffnung, daß er es nicht merken werde. Es war eine törichte Hoffnung, genauso töricht wie die Hoffnung eines früheren Dienstmädchens, das aus Vaters Schnapsflaschen

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