Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
öffneten die Bestatter die Knoten der roten Geschenkbänder an den Fuß-
und Handgelenken und legten den toten Körper in die Wanne, schlossen den Plastiksack,
setzten den Deckel auf und trugen die sterblichen Überreste fort. Das erste Mal,
dass Gritta Entrup wirklich lautlos aus einem Raum verschwand. Ihr letzter Auftritt
war auf eine andere Art spektakulär.
»Nimm dir
die Geschwister vor, Frank. Es gab einen Streit, einen heftigen Streit gestern Abend
zwischen Gritta Entrup und ihrer Stieftochter Maria Overbeck. Johann Overbeck ging
dazwischen und sie scheuchten die Entrup fort. Wer weiß, was sonst noch passiert
wäre«, schilderte Liv ihrem Ex. »Die beiden waren wie die Furien, hasserfüllt. Und
Johann Overbeck machte den beruhigenden Eindruck, als hätte er alles im Griff. Wer
weiß, was er für einen Plan hatte.« Liv griff Frank am Arm: »Hätte ich es wissen
müssen? Hätte ich es verhindern können?«
Frank ließ
Livs Gedankenfluss kommentarlos freien Lauf. »Über Gritta Entrup weiß ich, dass
sie und ihr Mann sich gehasst haben müssen. Sie war mit ihren Liebhabern öfter hier
im Hotel und er hatte eine junge Geliebte. Aber die beiden können sich ja nicht
zeitversetzt gegenseitig umgebracht haben.« Livs Lächeln in Franks Richtung über
diesen kleinen Witz wurde nicht erwidert, nur ein ungeduldiger Blick.
»Weiter,
was weißt du noch?«, drängte er.
»Bei den
Mitarbeitern war sie auch alles andere als beliebt. Sie verschaffte sich durch Strenge
und Befehle Pseudo-Respekt. Sicher hatte sie im Hotel einige Spitzel, die sie für
Informationen bezahlte. Seit Langem wohnte sie woanders. Wenn sie aber herkam, genoss
sie es, teure Klamotten vorzuführen und viel Wirbel um ihre Person als Chefin zu
machen. Im Grunde hatte sie nur noch das Ziel, für sich möglichst viel Geld aus
dem Unternehmen zu ziehen. Überhaupt scheint hier jeder nur in seine Tasche zu arbeiten«,
schloss Liv ihre Kurzanalyse.
»Außer dem
Sohn und der Tochter?«, fragte Frank nach.
»Die sind
sicher auch nicht so brav und heilig, wie sie den Anschein geben. Immerhin, sie
duckten seit Jahren vor ihrem herrischen Vater. Ich wäre anders«, sagte Liv.
»Das ist
mir schon klar«, bestätigte Frank.
»Aber von
den Geschwistern sprechen hier alle eher positiv. Vielleicht verstand sich Gritta
Entrup auch aus Eifersucht nicht mit ihren Stiefkindern. Wie weit ihre gegenseitige
Ablehnung aber ging, kann ich nicht sagen.« Näher an Frank gerückt, fügte sie hinzu:
»Gestern Abend sah es wirklich so aus, als wären die Geschwister zu vielem entschlossen.
Ob sie allerdings fähig zu einem solch brutalen Verbrechen sind?« Liv erinnerte
sich an die verkrampften Hände der Toten.
»Sie müssen
es ja nicht selbst ausgeführt haben«, schloss Frank.
»Der Sohn
hat die Fitnesstrainerin als Geliebte«, schoss es dann noch aus Liv heraus. Warum
gerade in diesem Zusammenhang? Intuition.
»Ja, ich
habe so etwas schon munkeln hören. Da bin ich ja beruhigt, ich dachte schon, er
hat ein zu inniges Verhältnis zu seiner Schwester.«
»Kennst
du schon die angebliche Geliebte des Toten, Frank?«
»Ja, zwischendurch
konnte ich die heulende Anuschka etwas verstehen. Monika Salmann heißt sie. Sie
wird aus Bayern gerufen. Sie sollte heute hier sein.«
»Ich könnte
mir vorstellen, dass sie eine wichtige Rolle in dem Fall spielt«, versuchte Liv,
Frank anzudeuten.
»Wie, vorstellen
… Weißt du Genaueres?«
»Noch nicht
viel, nur dass sie eine spezielle Persönlichkeit ist. Und spezielle Persönlichkeiten
sind zu speziellen Aktionen fähig.«
»Liv, du
meinst, die hätte ihre Rivalin aus dem Weg geräumt? Wozu jetzt noch, wenn der Alte
tot ist?«
»Muss ich
dir das erklären? Geld, Macht, Einfluss – wer weiß, was der Senior ihr alles versprochen
hat und worauf sie meint, auch nach seinem Tod einen Anspruch zu haben. Du als Kommissar
müsstest doch nun wirklich die gängigen Mordmotive besser kennen als ich. Aber warten
wir es ab, bis die Salmann da ist. Wie sieht denn nun genau die Erbrechtslage aus?
Wer kriegt denn alles hier?«
»Ich bin
noch immer nicht viel weiter. Wie es aussieht, die beiden Kinder. Hier ist eher
anzusetzen«, war Franks Meinung. »Die beiden haben doch viel mehr zu verlieren.
Die leben doch für dieses Hotel hier.«
»Und wie
sieht es mit deren Alibis aus?«, wollte Liv wissen.
»Zu beiden
Tatzeiten sehr wackelig, sie sind immer jeder des anderen Alibi. Heute Nacht schliefen
sie angeblich beide, haben gegenseitig
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