Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
bezeugt, dass der andere in seinem Zimmer
gewesen sei. Und gestern Morgen um halb sieben wurden sie schon von drei Mitarbeitern
hier im Hotel gesehen. Dann waren sie eine Weile verschwunden, wohl, um in Ruhe
in ihren Wohnungen zu frühstücken. Auch dass sie gemeinsam zu Hause frühstücken,
ist nichts Ungewöhnliches. Das machen sie öfter. Sie hätten durchaus die Möglichkeit
gehabt, dem Alten etwas ins Müsli zu geben oder geben zu lassen.«
Liv wollte
diese Theorie nicht einleuchten: »Glaubst du denn, dass die beiden ihren 84-jährigen
Vater umgebracht haben? Hätte sich das ›Problem‹ nicht von selbst recht bald gelöst?«
»Liv, du
weißt doch, wie das ist. Vielleicht war Eile geboten oder die vielen Frauen um den
Senior hatten etwas im Sinn oder der Senior selbst. Alles ist möglich. Noch! Gritta
Entrup war sich jedenfalls sicher, dass er das Testament zu ihren Gunsten umgeschrieben
hat.«
»Aber warum
sollte er das tun, wenn er inzwischen eine viel jüngere Freundin glücklich machen
wollte?«, argumentierte Liv.
Frank überlegte
kurz: »Hier liegt vielleicht der Schlüssel zum Problem. Wir müssen dringend mit
der Freundin sprechen. Ich bin gespannt auf sie.«
»Und ich
bin gespannt, was dann unter den Mitarbeitern vor sich geht. Typisch Familienbetrieb.
Da geht es hoch her. Das ist unglaublich, was die Mitarbeiter alles an familiären
Intimitäten mitbekommen.« Liv versprach, am Ball zu bleiben: »Sei gewiss, Frank,
ich mische mich unter das Volk. Das ist kein einfacher Fall, bestimmt nicht.«
»Ach, übrigens,
Liv, hast du denn heute Nacht nichts Ungewöhnliches mitbekommen?« Liv musste schmunzeln,
wie Frank nebenher etwas über ihre durchzechte Nacht herausfinden wollte.
»Willst
du das aus beruflichen Gründen wissen?«, fragte sie frei heraus.
»Weshalb
denn sonst?«, grinste Frank mit seinem unwiderstehlichen schiefen Mundwinkel.
»Ich muss
dich enttäuschen, nein, gestern Abend sah ich Gritta Entrup nur, als sie im Trainingsanzug
Richtung Fitnessstudio ging. Sie war ziemlich aufgebracht, aber das war ja quasi
ein Dauerzustand. Ich schlief diese Nacht wie eine Tote, vielleicht waren die zwei
Gin Tonics schuld, die ich vorher in der Bar trank. Insofern nichts Interessantes,
diesen Mord hier habe ich verschlafen. Tut mir leid, mein Lieber, ich würde dir
gerne den Mörder liefern.«
»Oder die
Mörder«, berichtigte Frank Golström.
24
Über ihren starken Appetit trotz
der Vorfälle wunderte sich Liv nur kurz, denn vor ihr stand ein äußerst ansprechendes
Frühstücksbüfett, drapiert um den Marzipan-Radschläger.
Noch ein
paar Stunden Zeit verblieben bis zur nächsten Wellness-Behandlung. Die schriftliche
Vorwarnung, vor den Anwendungen nicht zu üppig zu essen, schlug Liv in den Wind.
Sollten sie doch dann bitte nicht solche Köstlichkeiten anbieten. Das Birchermüsli
stand wieder am gewohnten Platz. Liv fixierte den Topf mit Brei, als könne er ihr
gefährlich werden. Weit gefehlt. Liv entschied sich diesen Morgen für das obligatorische
Brötchen mit Nutella und ein Ei. Was einem schmeckt und mit Genuss gegessen wird,
ist gesund, war einer der wenigen Grundsätze, die sie von ihren Eltern übernehmen
wollte. Der frisch gepresste Apfel-Möhren-Saft erregte Livs Aufmerksamkeit. Möhrensaft
pur ließ äußerst unangenehme Kindheitserinnerungen an die bergische Großmutter und
deren Küche wach werden, aber der Apfelsaftzusatz könnte den notwendigen geschmacklichen
Ausgleich bringen, dachte Liv. Und so war es, es schmeckte und es war als gesund
gepriesen.
Seltsam,
aber Liv war beruhigt, dass der Senior als ein Ekel galt, dann war es mit Sicherheit
ein gezielter Anschlag auf ihn und sie musste sich nicht bei jedem Verzehr Gedanken
machen, ob in diesem Hotel vielleicht doch ein Irrer einen Amoklauf per Gift veranstaltete.
Das Ei drohte
Liv allerdings im Hals stecken zu bleiben. Es handelte sich um ein fast zu Staub
verfallendes mindestens 20-Minuten-Ei. Aber nicht nur deshalb hatte Liv Schluckbeschwerden,
sondern auch, weil ihr die Bilder von der toten Gritta Entrup hochkamen. ›Ich werde
langsam weich‹, sinnierte Liv. ›Früher haben mich blutige Leichen nicht vom Essen
abhalten können. Aber das Bild, das die Tote darbot, war zu unappetitlich.‹ Außerdem
wusste Liv nicht, woran sie gestorben war. Das angebrochene Ei ließ sie liegen und
schlenderte durch das Foyer.
25
»Hier ist einer von der Presse.
Er hat ein paar Fragen zu den Todesfällen«, hörte Liv eine
Weitere Kostenlose Bücher