Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
es nun höchste
Eisenbahn für ihren Behandlungstermin war. Ihr Magen meldete sich zwar, weil er
noch nichts außer Aufregung bekommen hatte, aber Zeit zum Essen war jetzt nicht
mehr. Sie schnappte sich das Handtuch und los ging es in den Wellness-Bereich.
Am Massageraum
wartete Virginia Perle. Liv fragte sich diesmal laut, ob hier auch noch andere Kollegen
arbeiteten oder ob sie rund um die Uhr im Einsatz sei.
»Nein, wir
sind viele Kolleginnen hier. Wir wollen aber unseren Gästen nicht zu viele Gesichter
und Namen zumuten. Sehen Sie uns zwei an, wir kennen uns doch jetzt schon recht
gut. Ich weiß, was Sie möchten. Sie wissen, wie ich arbeite. So ein Vertrauensverhältnis
aufzubauen, dauert. Das vor jeder Behandlung erneut machen zu müssen, ist einfach
nicht gut.«
»Aha«, war
Livs Kommentar. Sie nervte sie heute.
»So, und
heute haben wir ja was besonders Schönes mit Ihnen vor, Frau Oliver. Unsere Spezial-Massage
mit den Kräuter-Stempel-Kissen. Diese wird viel von unseren zahlreich in Düsseldorf
lebenden japanischen Gästen und Geschäftsleuten gebucht.«
Sie lachte
etwas zu schrill. »›Auf zu neuen Ufern!‹ bedeutet Pantai-Luar, es kommt aus Ostasien.
Lassen Sie uns nun eine Sinnesreise nach Ostasien antreten. Sie werden merken, das
ist so entspannend und schön, macht eine Haut wie ein Babypopo und ist einfach nur
toll.«
Wie eine
falsch abgespielte Platte wirkten diese gesungenen und auswendig vorgetragenen Phrasen
auf Liv. »Na denn, los geht’s«, sagte Liv kurz.
Stumm zog
sie sich aus, bis auf die Unterhose. Virginia wollte ihr wieder solch eine Papierhose
geben, die Liv kopfschüttelnd ablehnte. Sie legte sich mit dem Rücken auf die Liege,
die mit Frottee-Tüchern bedeckt war, und wartete missgestimmt ab, was nun kommen
würde. Virginia blieb ihre miese Laune nicht verborgen. Ihre Sätze wurden kürzer
und leiser. »Dann machen wir erst einmal schöne Musik. Eine schöne Reise wünsch
ich Ihnen!«, hörte Liv noch.
Doch dann
verflog der Ärger ziemlich bald. Asiatische Gleichklänge, verbunden mit einem faszinierenden
exotischen, fruchtig-frischen Duft, ließen Liv sehr schnell in ferne Welten abdriften.
Virginia sprach nun nichts mehr, denn diese Massage war wohl richtig anstrengend
für sie. Da Liv ihre Augen geschlossen hielt, sah sie ihre Schweißperlen auf der
Stirn nicht.
Diese Kräuter-Stempel-Massage
war ein Hit. Zunächst wurde der Körper mit einem warmen Fruchtöl in sanften Massagebewegungen
eingerieben. Virginia machte das wirklich gut. Liv konnte kaum ihre Hände zählen,
hatte das Gefühl, als wären sechs zugange. Kein abruptes Stoppen. Keine ungeschickten
Griffe. Im gesamten kleinen, nur mit Kerzen beleuchteten Raum roch es nach exotischen
Kräutern mit frischen Orangen und Kokosnuss. Wahrscheinlich entströmte dieser Geruch
auch den kleinen Kräuterkissen. Die faustgroßen Stempel aus Leinentuch fühlten sich
sehr warm an, fast heiß, und wurden in der Tat wie Stempel auf den Körper gedrückt.
Dadurch entfloss etwas von ihrem Inhalt, der sich samtig auf ihrer Haut verteilte
und den betörenden Duft verstärkte. Liv atmete tiefer, um diesen ihr so angenehmen
Duft intensiv zu verinnerlichen. Die Augen geschlossen, ließ Liv ihren Gedanken
freien Lauf. Sie fand sich wieder unter dunkeläugigen Schönheiten, in helle Tücher
gewandet, asiatischen Klängen lauschend, in wohliger Wärme – es war ein intensives
Wohlgefühl, das sie noch nie vorher empfunden hatte.
Diese Kopf-
bis- Fuß-Massage dauerte knapp eine Stunde. Aber Liv hatte das Gefühl, ein neuer
Tag bräche an, als Virginia sie in Tücher wickelte, eine Decke darüberlegte und
meinte, sie solle sich ruhig noch Zeit nehmen, um langsam zurückzukehren.
Mit dem
Lob: »Virginia, Sie haben sich selbst übertroffen, das war einfach fantastisch!«,
mummelte Liv sich noch einmal in die Decke und horchte den Klängen, die nach zehn
Minuten aufhörten und sie sanft daran erinnerten, dass sie nicht allein auf dieser
Welt, in diesem Hotel war.
Mit einem
Handtuch rieb sie das überschüssige Öl von der Haut und schlüpfte in den Jogginganzug.
Liv hatte nicht das Bedürfnis zu duschen, im Gegenteil, diesen Duft wollte sie so
lange wie möglich an sich haften lassen.
Sie schlenderte
aus dem Massageraum, suchte den Ruheraum mit den Liegen und ließ sich hier erneut
nieder. Nur zu gern schaute sie in die Natur. Der Regen war der Sonne gewichen.
Diese Kombination ließ das frische Grün der Bäume und Sträucher erstrahlen.
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