Frösche, die quaken, töten nicht: Roman (German Edition)
möchte Sie abholen. Wir sind verabredet, ich mache die
Stilberatung, mein Name ist Sabine Müller.«
Eine nette
Umschreibung der Tatsache, dass Liv sich gerade wieder verspätet hatte. Die Dame
war Liv bekannt. Es war die Frau, die für die Hausführung und Einweisung zu Beginn
des Aufenthaltes verantwortlich gewesen war.
»Sie habe
ich die gesamte Zeit nicht gesehen, Frau Müller«, begann Liv einen unsinnigen Smalltalk.
»Mich haben
die Umstände hier zu einer Auszeit gezwungen«, versuchte die Angesprochene, einen
Nervenzusammenbruch zu erklären.
Weich, keine
Kämpferin, labil, aber auch sensibel – schloss Liv ihre Kurzeinschätzung. Von dieser
Frau sollte Liv nun lernen, was ihr Stil war?
Sie gingen
in einen Kosmetik-Raum. Wieder entspannende Musik und betörende Düfte, die sie willkommen
hießen. Liv machte es sich auf dem Liegestuhl bequem und wartete, was passieren
würde.
Sabine Müller
schloss die Türe, holte einen sehr großen Handspiegel und hielt ihn vor Liv. Das
ungeschminkte Gesicht, das sie aus dem Spiegel anschaute, gefiel ihr heute gar nicht.
Sie legte den Spiegel auf den Bauch, weil Sabine Müller sagte, sie bräuchten ihn
später noch. Dann legte die Stil-Dame los: »Sie sind zwar weder aus der Mode- noch
aus der Werbebranche, wie ich weiß, aber als Geschäftsfrau muss man immer auf sein
Äußeres achten, man muss damit spielen, nicht nur in Düsseldorf, überall auf der
Welt.«
»Ich habe
viel mit Toten zu tun, da ist das eher egal«, unterbrach Liv und freute sich über
die erreichte Schockwirkung. Sie renkte noch einmal ein: »Aber auch mit lebenden
Mördern.«
»Vielleicht
nutzen Sie Ihre Wirkungspotenziale dann eher im privaten Bereich? Sie sind doch
noch nicht verheiratet?« Das ließ Liv so stehen und hörte zu.
»Also –
die ersten drei Sekunden sind ausschlaggebend bei einem Treffen – unter Lebenden.
Dieser Spontaneindruck, den man vom Gegenüber bekommt, ist nahezu nicht revidierbar.
Um einen positiven Eindruck zu erwecken, braucht es nicht viel. Sie werden sehen,
ich zeige Ihnen, wie Sie diese kleinen Tricks beherrschen können«, belehrte sie
Liv. »Wir bestimmen nun, welcher Typ Sie sind, ein Sommer-, Herbst-, Frühlings-
oder Wintertyp.«
Im Laufe
der Stunde legte sie Liv verschiedene Seidentücher um den Hals. Es war tatsächlich
so, bei manchen Farben sah sie fahl und krank aus, bei andern frisch und strahlend.
Sie schloss, dass Liv ein Frühlingstyp sei und gab ihr Farbtipps. Wenn sie warme
Pastell-Farben mit einem gelben oder roten Ton beim Schminken und bei der Kleidung
bevorzugen würde, stünden ihr alle Tore offen. Nicht nur bei Männern, auch bei Frauen,
bei allen Menschen wirke es. Zum Schluss gab es einen kleinen Ausweis, der die persönlichen
Farben aufzeigte. Nun bräuchte Liv nur noch beim Einkaufen innerhalb dieser Farbpalette
zu bleiben und ihrem privaten und beruflichen Glück stünde nichts mehr im Wege.
So einfach konnte das Leben sein.
›Ob das
bei Frank auch wirkt?‹
Als Liv
sich zum Gehen und auch gleich zur Abreise verabschiedete, konnte sie sich eine
Frage nicht verkneifen:
»Wissen
Sie, bei wem ich einen Frosch bestellen kann?«
Auch bei
dieser Mitarbeiterin des Hauses löste die Frage noch nicht einmal ein Stirnrunzeln
aus. Hier schien wirklich jeder der Angestellten einen Frosch zu haben oder wenigstens
zu wissen, dass Frösche auch als Haustiere taugten. Sträubten sich bei Liv schon
bei der Fragestellung sämtliche Haare, antwortete Sabine ganz souverän:
»Och«, meinte
sie bedauernd, an der eigentlichen Frage vorbeiredend, »ist schon wieder einer gestorben?
Wer braucht denn Nachschub? Ich habe gerade Kaulquappen-Babys. Meinen geht es zum
Glück sehr gut.«
Sie also
auch, Liv war kurz überrascht, ließ aber von ihren Nachforschungen nicht ab und
blickte sie weiterhin fragend an. Man könne es bei dem Kellner Jörg Olsson versuchen.
Er übernehme hauptsächlich den Handel mit den Fröschen.
›Warum bin
ich nicht überrascht, dass er hier in Sachen Giftfrösche alles organisiert?‹
Liv bedankte
sich brav und ging schnurstracks in ihr Zimmer zurück. Ein Blick in den Spiegel
und sie wusch sich alle neuen Farben aus ihrem Gesicht, die ihrem Stil und Typ gerecht
werden sollten.
›Das bin
nicht ich.‹
An der Rezeption
fragte Liv, ob Jörg Olsson heute Dienst habe. Ihrem Gefühl nach brachte er diesen
Fall ein großes Stück nach vorne – ob er wollte oder nicht.
64
Liv hatte Glück, sie erwischte Jörg
Olsson bei der
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