Frösche: Roman (German Edition)
die Stimme zustürmten. Die Kleinen schienen nicht gerade leicht zu sein, denn die elastische Oberfläche des Moores wippte auf und ab, als sie darüberrannten. Ein wenig sahen sie aus wie eine Horde Kängurus.
Die Bübchen – natürlich auch die Mädchen – umringten mich und den Meister. Die Bübchen – natürlich auch die Mädchen – umklammerten unsere Beine, kletterten uns auf die Schultern, packten uns an den Ohren, hielten unsere Haare fest, hauchten uns an den Hals. Einige sabberten uns in die Augen. Die Bübchen – natürlich auch die Mädchen – warfen uns zu Boden und krabbelten auf uns herum. Die Bübchen – natürlich auch die Mädchen – wühlten im Matsch und machten Matschebatzen, die sie uns auf den Körper schmierten. Die Bübchen – natürlich auch die Mädchen – beschmierten sich dann selbst mit Matsche ... Und später, ich erinnere mich nicht, wie viel Zeit dazwischen vergangen sein mochte, wurden die Bübchen – natürlich auch die Mädchen – plötzlich ganz still. Sie umringten uns in einem Halbkreis. Von denen, die sich vor uns befanden, hatten sich einige auf den Bauch gelegt, andere saßen, wieder andere knieten, manche hielten das Kinn in beide Hände gestützt, manche knabberten an den Fingernägeln, manche hatten den Mund aufgesperrt. Sie sprühten vor Leben in allen nur möglichen Posen. Krass! Als stünden sie dem Meister Modell!, schoss es mir durch den Kopf. Ich bemerkte, dass der Meister längst begonnen hatte zu arbeiten. Er studierte ein Kind, und während er das tat, nahm er vom Boden einen Erdbatzen auf und begann zu kneten. Es wurde ein nach dem lebenden Abbild geschaffenes Tonkind. Als er mit dem ersten fertig war, guckte er sich ein weiteres Kind aus, und erneut nahm er einen Batzen Matsch und begann zu kneten. Wieder schuf er ein lebensechtes Tonkind ...
Der Hahn krähte. Ich erschrak bis ins Mark und war sofort wach. Ich war auf der Kante des Pferdetrogs eingeschlafen, aus meinem Mundwinkel war Spucke auf den Brustlatz des Meisters getropft.
Für jemanden wie mich, der an einer Schlafstörung leidet, ist die Erinnerung an einen Traum der einzige Weg zu erfahren, ob er geschlafen hat oder nicht. Wenn einem das, was man gerade erlebt hat, noch lebendig vor Augen steht, ist es der Beweis dafür, dass man geschlafen hat.
Ich, der jahrelang schlaflose Leber, war auf dem Rand des Pferdetrogs eingenickt. Diese Freudennachricht, die gefeiert werden musste, war wirklich einen kaiserlichen Peitschenknall wert, wie er bei den morgendlichen Sitzungen im Palast ertönt. Natürlich war die Nachricht darüber, dass der Meister eingeschlafen war, einen noch kräftigeren Peitschenknall wert.
Der Meister nieste. Er blinzelte und öffnete die Augen. Als wäre ihm gerade etwas furchtbar Wichtiges eingefallen, schnellte er aus dem Pferdetrog hoch.
Draußen graute der Morgen, und schimmernd kam erstes rosa Morgenlicht durchs Fenster. Qin Strom war bereits pfeilschnell an die Arbeitsplatte gestürzt, hatte das große Paket mit der gründlich in Frischhaltefolie eingewickelten Erde geöffnet, ein Stück davon abgerissen und war auch schon dabei zu kneten und zu modellieren.
Er knetete, und bald war ein nacktes Tonkind mit einem Lätzchen und einem kleinen senkrechten Zöpfchen auf dem Kopf entstanden.
Mich übermannten die Gefühle, ich vermeinte die betörend schöne Stimme der Frau aus meinem Traum zu hören. Wer mochte sie sein? Natürlich niemand anderes als die gnadenreiche, an Mitleid und Barmherzigkeit reiche Niangniang!«
Als Wang Leber den Namen Niangniang aussprach, waren Lebers Augen tränenumflort, und ich bemerkte, dass auch in Shizis Augen Tränen glitzerten. Sie hatte ihm seine Geschichte wirklich geglaubt.
Leber fuhr fort: »Ich habe dann so schnell ich konnte den Fotoapparat geholt. Ich traute mich nicht, mit Blitz zu fotografieren, aber auch ohne Blitz habe ich eindrucksvolle Bilder davon geschossen, wie der Meister voller Schaffensdrang bei der Arbeit ist. Natürlich war es Quatsch, auf den Blitz zu verzichten, denn man hätte Gewehrsalven neben ihm abfeuern können, er hätte sie nicht gehört, so versunken war er in seine Arbeit. Sein Gesichtsausdruck änderte sich ständig, mal war er todernst, mal spiegelte er tiefschürfende Gedanken wider, mal war er heiter verschmitzt, dann schien er geheimnisvoll, als hecke er etwas aus. Dann wieder zeigte er wüste Verlassenheit.
Ich beobachtete, dass sein Gesicht die Gefühlslage des Tonkindes wiedergab, das er
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