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Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
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der auf die Straße trat, ihn für einen anderen Einwohner dieses kleinen Weilers halten werde. Die Fenster dieses Gebäudes bestanden aus hellem Glas, und das im Innern entzündete Licht warf hochinteressante Muster auf die weiße Straße.
    Vor ihm öffnete sich leise eine Tür, und Schritte knirschten auf der Straße. Sannik blieb stehen und blickte der Person nach, die die Straße hoch zu dem hell erleuchteten Gebäude ging. Er sah, daß ein weiterer Mann, eine Frau und zwei Kinder den behaglichen Schutz ihres Hauses in dieser kalten Nacht verlassen hatten, um zu dem Gebäude zu pilgern, aus dem dieses Glockengeläut erklang.
    Sie waren aus dem Haus gekommen, an dessen Fenster immer noch Lichtschlitze zu sehen waren. Als die Tür sich schloß, hörte er einen schwachen Laut. Eine dünne Stimme rief: »Sag ein Gebet zu Mere Marie für mich, Papa.«
    Ein Kind, zu Hause allein gelassen? Vielleicht krank? Das wäre für seinen Zweck die bestmögliche Situation. Die Nillak bezahlten immer für das, was sie nahmen, auch wenn die Spender gewiß nicht vermißten, was sie im Namen der Wissenschaft gaben.
    Sannik glitt lautlos über die Spuren im Schnee zur Tür. Sie war jetzt verschlossen, aber oben konnte er immer noch das Licht erkennen. Er drehte den Schweber stärker auf und erhob sich in die Luft bis zur Höhe des Fensters. Der Riegel, der die Fensterläden zusammenhielt, war kinderleicht zu öffnen und dann blickte er in ein von einer Talglampe erleuchtetes Zimmer.
    Drei kleine Pritschen standen an der Wand gegenüber. Zwei davon waren glatt und noch unbenutzt, während auf der dritten ein Kind saß, bis zum Kinn in Decken gehüllt, das dünne Gesichtchen voller Traurigkeit.
    Sannik verharrte bewegungslos. Er war erschrocken, als er sah, daß der Blick des Jungen auf das Fenster gerichtet war. Aber die blassen Augen blieben leer und das kleine Gesicht zeigte keine Spur von Überraschung. Er konnte Sannik nicht bemerkt haben. Dann seufzte der Kleine tief.
    »Ich werde nie, nie die Krippe sehen. Mir wird es nie, nie gut genug gehen, daß ich mit den anderen zur Mitternachtsmesse gehen kann. Da müßte schon ein Wunder geschehen!«
    Die Augen schlossen sich und die zarten Hände waren unter dem spitzen Kinn gefaltet. »Ave Maria …« Die Worte wurden leiser, doch die Lippen bewegten sich in einer Art von Beschwörung.
    Dieses Kind war blind. Dieses Kind war krank. Einen besseren Spender konnte Sannik in dieser bitterkalten Nacht auf diesem eisigen Kontinent nicht finden.
    Ohne weiteres Zögern hielt er seinen Manipulator an das Fensterschloß, und die Fensterflügel öffneten sich nach außen und ließen einen Schwall kalter Luft ins Zimmer strömen. Er glitt direkt dahinter hinein und schloß das Fenster wieder hinter sich.
    Der Junge hatte in seiner Beschwörung innegehalten. Sein Kopf drehte sich dem Fenster zu; die Augen waren weit aufgerissen und verängstigt. »Was ist los?« keuchte er. »Wer ist hier im Zimmer bei mir? Ich höre deinen Atem und ich rieche etwas Seltsames, wie Pinien mit Klee. Bist du ein Dämon, der mich entführen will?«
    Sannik verstand ihn, denn er war wohlvorbereitet auf die Mission zu diesem Hinterwäldlerplaneten gegangen. Er machte seine Stimme so tief und beruhigend, wie er nur konnte, und sagte: »Ich komme, um dir zu helfen, Kind. Ich heiße Sannik und ich bin ein Heiler. Möchtest du gesund werden? Mit deiner Familie auf ihre mitternächtliche Pilgerfahrt gehen?«
    Die Kinder, das hatte er auf seinen vielen Expeditionen zu vielen Welten festgestellt, glaubten an Wunder, die ihre Eltern aus Mißtrauen nicht akzeptierten. Das war auch hier wieder der Fall. Wieder weiteten sich die Augen, diesmal voller Hoffnung.
    »Aber, Heiliger Nikolaus, wie kannst du das tun? Ich bin schon immer krank gewesen. Die Ärzte sagen, es gibt keine Hoffnung, daß ich lang genug lebe, um noch erwachsen zu werden. Das haben sie meiner Mutter gesagt. Sie hatten nicht gewußt, daß ich sie hören kann. Aber sehen werde ich nie wieder können. Ich hatte letzten Winter Scharlach, weißt du?«
    Sannik bewegte sich auf die Pritsche zu und legte seine Hand auf die feuchte Stirn. Er spürte den Pulsschlag des Kindes an seinem Daumen, als er die Hand unter den Kiefer schob. Das war, dachte er sich, ein einfacher Fall.
    »Und wie heißt du, mein Sohn?« fragte er.
    »Jean-Paul«, lautete die geflüsterte Antwort. Das Kind streckte die Hand aus und fühlte den Stoff von Sanniks Mantel. »Du bist wirklich«, murmelte

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