Frohes Fest!
fragte sie.
Christoph schüttelte den Kopf. Jedes Jahr fragte sie ihn dasselbe und jedesmal lehnte er ab. Als er noch klein war, hatte er geweint. Jetzt fühlte sich der Elfjährige zu alt zum Weinen.
Frau Svenson lächelte. »Dann also bis morgen!«
Er nickte. Am Weihnachtsmorgen durften ihre Schüler sie immer zu Hause besuchen. Den Eltern war es recht, denn so konnten sie nach Monaten harter Arbeit einmal ausschlafen.
Sie fuhr ab. Er war froh, daß sie nicht ›Frohe Weihnachten gesagt hatte. Es wäre ihm in seinem besonderen Fall deplaziert vorgekommen.
Er saugte seine Lungen voll mit der kalten Luft dieses Heiligabends und betrachtete sein Haus.
Der Schnee auf den Schindeln wirkte wie der Zuckerguß auf einem Lebkuchenhaus. Die Fenster waren mit winzigen flackernden Lichtern dekoriert. An den immergrünen Bäumen hing Christbaumschmuck. Im Vorgarten standen Statuen von Rudolph und seinem Rentiergespann. Genau wie der Schnee blieb all dies das ganze Jahr über so.
Im Haus war es dunkel. Christophs Vater arbeitete immer die ganze Heilige Nacht durch. Wenn er dann am nächsten Tag zum Nordpol zurückkehrte, war er so müde, daß er 24 Stunden lang schlief.
So öffnete seine Familie ihre Weihnachtsgeschenke einen Tag zu spät, und das war halt nicht dasselbe. Sein Vater war dann einfach nicht so bei der Sache.
Ein Schauer lief über Christophs Rücken. Er hatte sich geschworen, daß er etwas anstellen würde, wenn ihn seine Eltern heute nicht von der Schule abholten.
Natürlich kamen sie niemals. Frau Svenson hatte ihn auf ihrem Heimweg mitgenommen. Also war die Entscheidung gefallen: Er würde den Schlitten kaputtmachen.
Er hatte ja auch allen Grund dazu, dachte er. Alle anderen Kinder konnten Weihnachten zur richtigen Zeit feiern. Und ausgerechnet sein Vater flog zu der Zeit auf diesem doofen Zauberschlitten rund um die Welt, damit die Kinder überall ihre Freude hatten.
Nur Christoph verbrachte jeden Weihnachtsmorgen im Haus seiner Lehrerin und spielte mit Elfenkindern. Einige von denen zogen ihn auch noch auf, weil er größer war als sie.
Christoph kehrte dem Haus den Rücken und ging die wenigen Meter zum Schuppen hinüber.
Dort verstauten Elfen pflichtgemäß Säcke mit Spielsachen, nach Städten geordnet, für die weltumspannende Tour seines Vaters.
Nicht weit vom Schuppen standen aufgeregt tänzelnd die Rentiere bereit. Xanthippe sah Christoph und schüttelte sich, daß die Glöckchen an ihrem Zaumzeug hell klingelten.
Sie waren am gleichen Tag geboren und wirklich so etwas wie Freunde. Sie hatten miteinander gespielt, bis Vater festgestellt hatte, daß Xanthippe nun alt genug sei, um mit den anderen Rentieren im Gespann zu arbeiten. Für sie war es eine Ehre gewesen, doch Christoph hatte sich so einsam wie noch nie gefühlt. Jetzt sprachen sie nur selten miteinander.
»Fröhliche Weihnachten!« rief ihm Xanthippe zu, bevor er sich wegdrehen konnte.
Der Vorarbeiter der Elfen, Sven Oxenjerna, der gerade dabei war, Spielzeuge in Geschenkverpackung in einen Sack mit der Zielmarkierung EUGENE, OREGON, USA zu stecken, unterbrach seine Arbeit und winkte ihm zu. Christoph stellte sich, als habe er es nicht bemerkt.
Er ging zur Garage. Der Schlitten stand drin, mit glänzend weißen Flanken und schimmernden Silberkufen. Wenn der November vorbei war, kümmerte sich niemand mehr um den Schlitten. Zu der Zeit mußte er schon fertig überholt sein, denn danach hatte die Anfertigung der Spielsachen absoluten Vorrang.
Als Sven den Schlitten neu gestrichen und poliert hatte, war Christoph daneben gestanden, hatte ihn beobachtet und Fragen gestellt.
Der Schlitten, so hatte ihm Sven erzählt, flog aus drei Gründen: seines Vaters ungeheuer starkem Wunsch, zu geben, dem kraftvollen Willen der Rentiere, zu reisen, und dem treuen Glauben der Kinder aus aller Welt. All das wurde von dem Glaubensempfänger des Schlittens aufgefangen.
Christoph war das bereits klar gewesen. Aber den Empfänger hatte er vorher noch nie gesehen. Sven zeigte ihm die kubische Metallschachtel am Unterbau.
Jetzt schnappte sich Christoph einen Schraubenzieher von der Werkbank und kroch unter den Schlitten. Als er nach dem Empfänger griff, glaubte er, Glöckchen zu vernehmen.
»Christoph?«
Xanthippe! Christoph rutschte sofort wieder hervor und stand auf.
Das Rentier stand in der Garagentür, Rücken und Geweih von Schnee bedeckt. »Was machst du da?«
Christoph antwortete nicht. Er sah den Blick in ihren großen braunen
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