Frohes Fest!
glückbringendste Zeit.
Im Winter wurde Vater befördert und bekam mehr Gehalt. Das bedeutete: mehr Geschenke. Dazu waren wir alle kerngesund; während jeder in unserer Umgebung erkältet und mit einer Grippe herumlief, hatten wir rote Backen und fühlten uns wohl.
Doch dieses Jahr war anders.
Drei Tage nach dem Erntedankfest stieg Oma Babka in ein Flugzeug und sagte Vater, Mutter, Schwester und mir Leb wohl.
»Schwester, Bruder, bewachen Pfefferkuchenhaus«, flüsterte sie. Wir nickten, fest entschlossen, unserer Verantwortung gerecht zu werden.
»Unglück«, hauchte Oma Babka und verschwand in dem großen Vogel, um in die alte Heimat zurückzufliegen.
Eine Woche verging. Tante kam zu uns mit Onkel und ihrem Sohn Ricky. Ricky war der Typ von Kind, das immer höflich sein konnte und ›dankeschön‹ oder entschuldige bitte‹ sagte – so lange ein Erwachsener in der Nähe war. Aber mit uns allein gelassen, wurde er gemein und beschimpfte uns.
»Was ist mit diesem dummen Pfefferkuchenhaus?« sagte Ricky, als wir allein im Wohnzimmer waren. »Alles, was man damit anfangen kann, ist, es aufzuessen.«
Er machte Anstalten, damit zu beginnen, doch als er sah, daß Schwester und ich es ganz ernsthaft bewachten, schlich er fort.
Bevor wir ins Bett gingen, brachten wir Mutter dazu, das Haus auf den Kaminsims zwischen die große Uhr und die Kerzenhalter zu stellen. Und als alle schliefen, schlichen Schwester und ich uns hinunter und wir legten neue Scheite auf das Feuer und standen Wache. Aber zwischen drei und vier sanken unsere Lider herunter wie schneebedeckte Pinienzweige.
Wir schliefen.
Als wir aufwachten, war im Kamin nur noch kalte Asche. Eine Leiter stand am Kaminsims. Der Gummibonbon-Schornstein war an der Spitze abgebrochen. Mehrere Bißstellen am Dach ließen das Stroh durchkommen. Und in einer Ecke fehlte eine Zuckerstange, so daß das Haus gefährlich schief stand.
Schwester und ich starrten das Pfefferkuchenhaus entsetzt an. Wir sahen Rauch, der aus dem kaputten Schornstein kam. Wir kletterten die Leiter hoch und schnupperten.
»Spülwasser«, sagte Schwester.
»Nasser Hund«, bestätigte ich.
Wir spähten zu den Kristallfenstern hinein, und etwas mit roten Augen spähte zurück. Später fand man Ricky mit Bauchschmerzen im Bett, von furchtbaren Blähungen geplagt.
Die Folgen machten sich ganz langsam in unserem Haus bemerkbar. Statt der üblichen Vorweihnachtsfreude der letzten Wochen machte sich eine Schwere breit.
Zu früheren Weihnachtsfesten hatte Mutter ganze Szenen für uns auf dem Fensterbrett aufgelegt: Watte als Schnee, ein Taschenspiegel war ein zugefrorener Teich, und darauf kamen kleine Schlittschuhläufer aus Blei, hellblau und golden lackiert. Schwester und ich beobachteten diese Szenen, während die heiße Luft aus der Heizung drunter um uns aufstieg, und trotzdem rochen wir den Schnee und weiße Laken.
Zu früheren Weihnachtsfesten hatte Vater bunte Lichterketten außen an den Fenstern aufgehängt. Die Birnchen schmolzen kleine blaue Kuhlen in den angewehten Schnee. Wir stellten uns vor, die Kuhlen seien warm, und wir rollten uns darin zusammen und schliefen.
Und der Baum. Mutter sagte, wir sollten ihn schmücken wie eine Dame zum Tanz: das Kleid in Silber, Sterne an ihren Armen und um die Hüfte ein Kranz von kleinen Flammen.
Und Oma Babkas Kugeln aus der alten Heimat, aus Glas gemacht und so zerbrechlich wie ein Ei. Sieben hängten wir an unsere Dame. Und das Schimmern der Kerzen spiegelte sich in den Fenstern von Schlössern mit meterdickem Schnee auf den Dächern – ländliche Szenen aus Babuusch und Ziloptka.
Und, oh, diese Stunden voller Abenteuer, Geschichten, die wie die verblichenen Muster auf einer Steppdecke in Vergessenheit gerieten, die halbvergessenen Seiten eines Traums.
Aber in diesem schrecklichen Jahr waren Mutter und Vater abgelenkt und schlechter Laune. Sie stritten sich um die kleinsten Kleinigkeiten, mieden sich, weigerten sich, irgend etwas zu machen, bevor sich der andere entschuldigt hatte. Keine Lichterketten, keine Szenen auf dem Fensterbrett. Das Haus duftete nicht nach Butterkeksen in Form von Weihnachtsmännern und Schneemännern. Aber das waren nur die Vorzeichen für das, was noch kam.
Zwei Wochen vor Weihnachten kündigte man Vater. Er nahm es schwer und war immer mürrisch. Eine Woche vor Weihnachten wurde Mutter krank. Erst eine Erkältung, dann Grippe mit ständig steigendem Fieber. Sie mußte im Bett bleiben.
Vater zog sich
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