Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frohes Fest!

Frohes Fest!

Titel: Frohes Fest! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke (Hrsg)
Vom Netzwerk:
eiserner Klumpen, der gerade anfing, sich wie ein großer, verbogener Nagel in meiner Kehle anzufühlen, drehte mir hart die Luft ab und hinderte mich am Reden, schon bevor es losging. Ich hoffte, die Kleinen hatten es nicht bemerkt. Sicher konnte ich keinen davon haben. Ich keuchte und schneuzte mir die Nase. »Zum Teufel, wenn das wieder eine Erkältung ist …«, sagte ich. »Also gut! Wo waren wir? – Oh, ja. Jedes Jahr um diese Zeit passiert etwas. Selbst wenn wir im Haus bleiben und überhaupt nicht rausgehen, und ich hier an meiner Staffelei sitze und feurige Bilder eines Sommers mit großen Dürren male, der die Hoffnung verbrennt, und wir uns die Wetterberichte und Nachrichten aus aller Welt anschauen und uns alles geschickt wird, was wir brauchen, und ihr Kleinen euch den ganzen Tag eifrig mit euren selbstgemachten Spielsachen beschäftigt, werden wir immer noch irgendwie etwas über diese Bedrohung erfahren, die sich rasch aufbaut. Sie werden’s mit Lärm in den Straßen zu verstehen geben, sie werden’s in den Programmen hinausschreien und sie werden’s sogar von den Flugzeugen herunterfunken und über uns hinwegziehen, hinter den Luftfahrzeugen hergezerrt, die den großen Reifenfirmen gehören. Und in einem Haus in der Innenstadt, dem größten Haus dort – ich werde es euch zeigen, weil ich’s aus den Jahren kenne, in denen ich immer hinausgegangen bin – es ist derselbe Klang, und ich weiß, was vor sich geht! – in diesem größten Haus in der Innenstadt haben sie einen Gummisack. Er ist ganz rot gefärbt, bis auf etwas schwarzes Leder und ein paar weiße, flauschige Büschel, die wie echter Pelz aussehen sollen. Und er hat den längsten, weißesten Schimmer von gekräuselten Ersatzhaaren – nun, etwa so lang wie die Stoppel am Kinn des alten Mannes, der dort mäht.« Ich deutete auf das große Bild des hageren Mannes und die Sense, die ich an unsere Wände gehängt hatte. »Aber dieses Ding in der Stadt ist kein magerer, dünner Erntearbeiter wie der alte Mann, der dort arbeitet. Es ist furchtbar dick, das sage ich euch; es ist weich. Und ob ihr’s glaubt oder nicht, aber es ist wahr, ich versichere euch das – der hohle, fette Sack sitzt dort ganze anderthalb Monate Tag und Nacht im Vorderfenster des größten Hauses in der Stadt, schlägt zwei schwarze Lederklumpen an einem Paar von Stöcken zusammen, die an ihm befestigt sind, unterhalb einer dünneren Stelle, die ein Hals sein soll, und lacht über alles mögliche. ›Ho! Ho! Ho!‹ macht er. Ich weiß das! Ich hab’ ihn gesehen. Ich hab’ ihn gehört. Und manchmal, wenn der Wind günstig ist, im späten November und fast den ganzen Dezember, können wir diese scheußliche Gestalt sogar bis hierher über uns lachen hören, können hören, wie er uns damit verspottet, wir würden gefangen und umzingelt und bald von den weichen, dicken, gefährlichen Jollies verschlungen und gefressen, die durch die Luft kommen, auf dem Wind heranreiten, im Gleitflug niedergehen – von überallher! Habt ihr dieses Lachen nicht gehört? Habt ihr?« Sie bestritten es beide. Aber genau in dem Moment erschütterte ein heftiger Windstoß unsere Fenster, und ich bin mir fast sicher, ich hörte ein sehr schwaches, sehr hohles ho-ho-ho, das der Wind trug, aus der Richtung des großen Hauses in der Stadt.
    »Und was passiert wirklich, wenn dieses Schreckliche Ding sich in Bewegung setzt, wenn es alles fest in den Griff bekommt, im späten November und fast den ganzen Dezember? Nicht der hohle Monstersack aus Gummi, der die ganzen Jollies herbeiruft und uns auslacht, wenn wir erwischt und umzingelt werden, den meine ich nicht. Ich meine das Ding, die Bedrohung, das Ereignis, von dem er ein Teil ist, das zu den unwahrscheinlichsten Handlungsweisen anstachelt, die Sicherungen zu entfernen und zu kapitulieren!« Ich bedeckte mein Gesicht, und meine Schultern bebten, und in meinem Magen begannen sich Knoten zu bilden, und ein winterliches Gefühl großer Hoffnungslosigkeit war in meinen Eingeweiden eingeschlossen. »Gott!« sagte ich. »Und ich meine nicht Gott«, fügte ich hinzu. »Das gehört nämlich zu einem anderen Trainingsgespräch; also vergeßt, daß ich Gott gesagt habe«, sagte ich. »Aber Gott!« wiederholte ich. »Was geschieht? Was geschieht wirklich mit allen Dingen im späten November und fast den ganzen Dezember?«
    Sie merkten, daß ich mich aufregte, und ich wußte, sie hatten Angst um mich, und es tat mir leid für sie. »Es ist alles in

Weitere Kostenlose Bücher