Froschkuss (German Edition)
wirklich lecker, nämlich wie selbst gebacken und nicht wie aufgetaut schmeckte. Dabei schielte ich auf die beiden Glückskekse, die appetitlich nebeneinander drapiert darauf warteten, ihre innere Botschaft preiszugeben. Karla, die ebenfalls die Torte probierte, schob den Teller in meine Richtung: „Hier, nimm du zuerst.“
„Okay!“, erwiderte ich, zerbrach den Keks und pulte einen länglichen Zettel heraus. Ich steckte mir die leckeren Keksteile in den Mund und las den Text noch kauend meiner Freundin vor: „Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt. Erich Fried.“
Ich schluckte und blickte zu Karla, die ihren Keks bereits gegessen hatte und stirnrunzelnd ihren weißen Papierstreifen musterte. Offensichtlich hatte sie gar nicht richtig zugehört. Ich nippte an meinem Sektglas, um den Glückskeks, dessen Reste mir am Gaumen klebten, hinunterzuspülen. „Was steht denn da?“, fragte ich neugierig. „Seltsam“, erwiderte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Höre dir das einmal an: Das Schicksal mischt die Karten, aber wir spielen. Arthur Schopenhauer.“
„Was ist daran seltsam?“
„Ich weiß auch nicht“, erwiderte sie gedankenverloren und blickte auf das Wasser. „Ich muss die ganze Zeit an Karim denken.“
Das tust du doch immer, lag mir auf der Zunge, aber ich schwieg und blickte sie erwartungsvoll an.
Karla seufzte: „Wir sind einfach füreinander bestimmt, das fühle ich ganz deutlich.“ Sie kaute an ihrer Unterlippe und sah dabei nicht gerade überzeugt aus. Ich war der Ansicht, dass die Beziehung meiner Freundin zu Herzensbrecher-Karim alles andere als schicksalhaft war, und sie auf jeden Fall „spielen“ sollte, aber auch diesmal schwieg ich, denn ich wollte sie nicht verletzen. Karla trank den letzten Schluck Sekt: „Was stand bei dir noch mal?“
„Ach, nicht so wichtig“, murmelte ich, während ich mich von meinem Stuhl erhob und den Zettel unauffällig in die Vordertasche meiner Jeans steckte.
Als ich endlich die Tür zu meiner Wohnung öffnete, atmete ich erst einmal tief durch und begrüßte Oskar, der mir freudig entgegengehoppelt kam. Leon war zum Glück nicht da, er hatte eine „Projektbesprechung“ – was immer das sein mochte. Ich zog mir eine bequeme Jogginghose an und ging barfuß in die Küche, um mir ein Müsli zu holen. Kauend setzte ich mich auf mein Sofa, drapierte mir ein Kissen hinter meinen Rücken und griff zur Fernbedienung. Ohne hinzugucken drückte ich auf die On-Taste, aber nichts geschah. „Mist!“, entfuhr es mir, „was ist denn mit dem Ding schon wieder los?“ Ich stellte die Müslischale auf den Tisch und schaute mir die Fernbedienung genauer an. Das Teil kannte ich gar nicht. Es sah aus wie eine normale Fernbedienung, aber es war nicht die von meinem Fernseher, den ich nun genauer betrachtete. Es sah eigentlich alles aus wie immer, oder nicht? Nein, auf dem Regal stand ein kleiner schwarzer Kasten, den ich nicht kannte. Was hatte das alles zu bedeuten? Hatte Leon etwa eine neue Spielkonsole angeschlossen, nachdem sein Freund die Wii abgebaut hatte? „Na, der kann was erleben“, sagte ich wütend und in diesem Moment hörte ich, wie draußen jemand den Schlüssel ins Schloss steckte. „Wenn man vom Teufel spricht, kommt er“, keifte ich, als Leon die Tür öffnete. „Das habe ich gehört“, erwiderte mein Mitbewohner und grinste belustigt. Mir stieg die Röte ins Gesicht, aber anstatt mich zu entschuldigen, ging ich gleich zum Angriff über: „Was hast du mit meinem Fernseher angestellt?“
Leon ließ sich neben mich aufs Sofa plumpsen und nahm die Fernbedienung behutsam in die Hand, als handele es sich um ein Entenküken: „Ich hab uns einen Multimedia-Player eingebaut, das ist super, schau mal!“ Er drückte auf einen Knopf und der Bildschirm schaltete sich ein, auf dem verschiedene Bildchen zu sehen waren wie auf einem Computer. „Hier kannst du auswählen, was du machen möchtet“, erklärte mir Leon mit ruhiger Stimme, denn offensichtlich war er vollkommen in seinem Element. „Hier kannst du deine Fotos anschauen, Filme auswählen, Musik hören, alles was du willst. Das Teil hier besitzt sogar einen TV-Tuner und du kannst Filme aus dem Fernsehen aufnehmen oder zeitversetzt anschauen, wenn du willst, super nicht?“
In mir kämpften zwei Gefühle gegeneinander. Auf der einen Seite fand ich das toll, dass Leon mit seinem technischen Verständnis bei mir einen
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