Froschkuss (German Edition)
im Gegenteil. Eigentlich war er doch ganz okay. Er war ein guter Gesprächspartner, kannte sich super mit allen technischen Geräten aus und konnte auch noch kochen. Vielleicht würden wir tatsächlich Freunde werden, auf jeden Fall würde es bestimmt schön sein, sich auch dann noch mit ihm zu treffen, wenn er ausgezogen war. Unsere Oberschenkel berührten sich leicht, und schon wieder breitete sich dieses warme Gefühl in mir aus. „Hast du dir eigentlich noch einmal Wohnungen angeguckt?“, fragte ich ihn unvermittelt, was mir im nächsten Moment schon wieder leidtat. Nun rückte Leon von mir ab, die Stimmung war verflogen: „Ne“, erwiderte er schroff, „hältst du es etwa mit mir nicht mehr aus?“
„Nee, so war das doch nicht gemeint!“
„Hörte sich aber so an!“
Er nahm unsere beiden Schälchen und brachte sie in die Küche: „Ich muss dann noch arbeiten.“
Ich klappte den Laptop wieder auf und surfte lustlos durch das Internet. Leon war aber auch eine Mimose! Man wird doch wohl noch eine Frage stellen dürfen, noch dazu eine berechtigte. Dabei war es doch eigentlich ganz nett gewesen, mit uns beiden. Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn wir zwei ein Paar wären, ein Gedanke, der sich irgendwie merkwürdig, aber auch nicht vollkommen abwegig anfühlte. Und Sex? Da wurde das Ganze schon schwieriger, da meine ganze Sehnsucht sich auf Lars konzentrierte. Andererseits hatten sich Leons Berührungen schön angefühlt, oder war ich einfach nur sexuell ausgehungert? Ich seufzte und ging in die Küche, um mir aus dem Gefrierfach ein Magnum zu holen. Ich rüttelte an dem kleinen Fach, das klemmte oder eingefroren war. Ich zog und zog, bis es sich plötzlich öffnete und mir zwei geplatzte Bierflaschen entgegenpurzelten! Wahrscheinlich hatte mein Mitbewohner sie vergessen und nun war das gesamte Tiefkühlfach mit Glasscherben und zu kleinen Blöcken gefrorenem Bier gefüllt. „Leeooon!!!“, schrie ich nach oben, aber der Herr hörte nicht. Wahrscheinlich saß er mit Kopfhörern vor seinem Rechner, wie so oft. Da konnte eine Bombe einschlagen, er bekam nichts mit. Kopfschüttelnd und fluchend pulte ich die Glasscherben aus dem Eis und kratzte mit Hilfe eines Löffels das Matschbier in eine kleine Plastikschale. Als ich mich endlich zu meinem Magnum vorgearbeitet hatte, war mir der Appetit vergangen.
Am nächsten Tag hatte ich frei, ein Glück, wahrscheinlich würde Lars noch ein richtiges Donnerwetter loslassen, da war es gut, wenn ich aus der Schusslinie war. Leon hatte schon früh die Wohnung verlassen, wahrscheinlich, um wieder an einem dieser ominösen Projekttreffen teilzunehmen. Ich mümmelte mein Müsli und überlegte, wie ich meinen Tag gestalten könnte. Ich musste unbedingt einmal putzen und gründlich aufräumen. Seit Leon bei mir eingezogen war, hatte ich das Gefühl, dass es immer unordentlich war. Zwar hatte ich mich in den letzten Wochen damit arrangiert, aber eigentlich nervte mich immer noch Leons Talent, in jeder Ecke Chaos zu produzieren, genau so wie in seinem Elektroschrottbüro. Wenn er im Wohnzimmer gewesen war, lagen meine Zeitungen jedes Mal verteilt auf dem Tisch und nicht – wie ich es mochte – fein säuberlich auf dem Stapel. Seine Jacken befanden sich entweder auf dem Boden oder vollkommen schief aufgehängt in der Garderobe. Jedes Mal musste ich mir auf die Finger klopfen, um nicht alles gerade zu rücken. In der Küche hinterließ er immer ein Krümelmeer und er schaffte es, alle Dinge immer dort hinzustellen, wo sie nicht hingehörten. Ich fing also erst einmal an, die Küche gründlich zu putzen und aufzuräumen. Dafür holte ich das gesamte Geschirr und die Gläser heraus, damit ich auch die Hängeschränke reinigen konnte. Ich wischte den Fußboden, auf dem sich dicke Flecken des Currys befanden. Typisch! Danach war das Bad an der Reihe, ich saugte alle Räume, auch mein Arbeitszimmer, in dem Leon jetzt wohnte, und zum Schluss schrubbte ich sogar den Balkon. Oskar saß dabei in der Ecke und knabberte an einer Möhre: „Wenigstens du bist ordentlich“, sagte ich liebevoll zu ihm. Durchgeschwitzt ließ ich mich auf mein Sofa fallen. Wie schön es doch war, wenn alles ordentlich und sauber war!
Nachdem ich geduscht hatte, rief ich Karla an und fragte sie, ob sie Lust hätte, mit mir gegen 14 Uhr Mittagessen zu gehen. Sie hatte heute Dienst in der Klinik, aber ich wusste, dass sie gern einmal für eine Stunde an die frische Luft ging. Ich versprach sie
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